22 January–28 February 1974
Artists
Project group Ausstellungsübernahmen
Übernahme vom Kunstverein Frankfurt, Würtembergischen Kunstverein Stuttgart
Aus dem Vorwort der Publikation:
Nach Frankfurt und Stuttgart zeigt die Arbeitsgruppe Ausstellungsübernahmen in der Neuen Gesellschaft für bildende Kunst die vom Frankfurter Kunstverein zusammen mit einer Gruppe von Studenten und Dozenten der Universität Frankfurt erarbeitete Käthe-Kollwitz-Ausstellung. Wir sind dankbar für die Möglichkeit dieser Übernahme, die sich in die Reihe der bisher von der Neuen Gesellschaft gezeigten monographischen Ausstellungen einfügt: John Heartfield, Constantin Meunier, Eduardo Arroyo, Renato Guttuso und Pankok. Die Frankfurter Gruppe hat es unternommen, die für das Verständnis des ausgestellten Werkes unerläßlichen historischen und gesellschaftliche Zusammenhänge in Form von Schautafeln und Texten in die Ausstellung mit einzubeziehen. Wir meinen, daß dieses didaktische Modell eine Übernahme der Ausstellung gerade in der Konfrontation mit vorangegangenen Ausstellungen des Oeuvre der Käthe Kollwitz rechtfertigt.
Ihr Werk ist hier nicht unbekannt, aber der von der Künstlerin selbst hervorgehobene Anspruch auf politische Wirkung und Parteilichkeit ihres Werkes wurde meistens von einer „klassenneutral-humanistischen” Betrachtungsweise zugedeckt. Dagegen stellt diese Ausstellung ihr Werk in den Zusammenhang der politischen Kämpfe, an denen sie oft mit Flugblättern und Plakaten teilnahm: ‘Ich bin einverstanden damit, daß meine Kunst ZWECKE hat.’ (Käthe Kollwitz) In dieser Ausstellung sieht die NGBK auch eine Bestätigung der von ihr mit der Heartfield-Ausstellung initiierten Ausstellungspraxis: Kunst als gesellschaftliches und gesellschaftlich wirksames Produkt darzustellen.
Press commentary
Die Welt, 13.02.1974 (Lucie Schauer)
“Es waren mehrere entscheidende Erlebnisse, die Werk und Werdegang von Käthe Kollwitz bestimmt haben. Schon früh begann sie mit der Darstellung von Menschen aus dem Proletariat. Nicht etwa, weil sie bestimmte Zwecke damit verband, sondern weil sie diese Art von Menschen, wie sie einmal schreibt, einfach ‘schön’ fand. […] In eine eigentliche, nähere Berührung mit dem Elend vieler Arbeiterfamilien kam sie erst durch die Arztpraxis ihres Mannes im Bezirk Wedding. Ihre Darstellungen werden direkter, zugleich weniger ‘künstlerisch’. Vom Standpunkt des Stils und der Ästhetik her betrachtet, wird man nicht zögern, ihren ersten, noch vor 1900 oder bald danach entstandenen Radierungen den stärksten Eindruck zuzusprechen.”
Oberhessische Presse, 09.02.1974 (Peter Hans Göpfert)
“Die Radierungen, Lithographien, Holzschnitte der Künstlerin, darunter zahlreiche Plakate, werden mit Texttafeln und Fotografien in ihren biografischen, ikonografischen, vor allem aber ihren historischen und gesellschaftliche Kontext gestellt. […] Geschichtsstunde, interessant mit Kunstbetrachtung kombiniert. […] Eine engagierte Künstlerin, natürlich. Eine, die mit Plakaten und Flugblättern für die Sache energisch Partei ergriff. Ihr war die ‘reine Kunst’ gleichgültig, sie suchte den ‘Zweck’, aber sie wollte ‘doch künstlerisch bleiben’. Sie wollte ‘Anwalt’ sein und, 1920, ‘das Leiden der Menschen aussprechen’. Der Menschen!”
Spandauer Volksblatt, 01.02.1974 (Jürgen Beckelmann)
“Daß Bilder nicht nur zum gefühlvollen Begaffen da sind, sondern auch dazu, Erkenntnisse zu vermitteln und Denkprozesse in Gang zu setzen: diese Ansicht setzt sich immer mehr durch. In diesem Sinne ist auch die große Käthe-Kollwitz-Ausstellung gestaltet, die die Neue Gesellschaft für Bildende Kunst vom Frankfurter Kunstverein übernahm […]. Es ist eine ‘didaktische Ausstellung’, das heißt: die Bilder der Kollwitz werden durch Schrifttafeln in gesellschaftlichen Kontext gesetzt. Man erfährt etwas über Wirtschaft, Politik, Interessengruppen, die soziale Lage der Arbeiterklasse, deren Theorie und Organisation, über die Klassenkämpfe jener Zeit.”