initiative urbane kulturen / KREISE ZIEHEN 2

Großsiedlungen und die Produktion von Bildern ihrer selbst

14. Oktober–17. November 2018
Eröffnung: 13. Oktober 2018

Ausstellung
Veranstaltungsreihe

Ort(e):
station urbaner kulturen, Auerbacher Ring 41, 12619 Berlin (Eingang Kastanienboulevard, neben Lebenshilfe e.V.)

Künstler_innen

Stadtteilforum IDEE 01239, Ulf Aminde, Torsten Birne, Margit Czenki, Renaud Epstein, Andreas M. Fohr, Thilo Fröbel, Eva Hertzsch & Adam Page, Matthew Houlding, Felix Liebig

Teilnehmer_innen

Lilian Engelmann, Renaud Epstein, Andrej Holm, Jihad Issa, Sajid Khan, Mohammad Al Khatib, Henrik Lebuhn, Adam Page, Habibullah Safi, Birgit Schlieps, Dr. Heinz Schütz, Dr. Ingrid Wagner

Vereinsinitiative

Die bildenden Künste sowie die künstlerisch informierte Stadtforschung bewegen sich im Feld der ›urban cultures‹ verstärkt aufeinander zu. Urbanität und gebauter Raum werden auch durch Kunst und Kultur erkundet, erlebt und erzählt.

Ein Feld der Auseinandersetzung der letzten Jahre sind Großsiedlungen der 1960er bis 1990er Jahre. Sie haben Dimensionen, die der Größe einer Kleinstadt entsprechen. Zentrale Funktionen einer Stadt wie etwa die Künste und das Kulturleben werden jedoch vorrangig im Zentrum verortet. Die Großsiedlungen bleiben deswegen vielen Menschen einer Stadt merkwürdig fremd.
Es braucht neue Narrative und Bilder, um die scheinbare Homogenität von Großsiedlungen zu hinterfragen und Widersprüchlichkeiten nachzuzeichnen.
Großsiedlungen sind miteinander vergleichbar – auch über Kontinente hinweg. Oft sind sie in konzentrischen Kreisen um die Kernstadt herum organisiert. Doch selbst innerhalb einer Stadt haben die Großsiedlungen kaum Kontakt miteinander.

Das Ausstellungsprojekt KREISE ZIEHEN in Berlin-Hellersdorf schlägt Brücken innerhalb und auch jenseits der Stadtgrenzen mit Partnersiedlungen. Wie entstehen Stereotypen von Orten, wie werden sie von außen gesetzt und von innen angenommen und weitergeführt? Wie können Bilder in der Peripherie entstehen, die nicht von außen ein ›Image‹ überstülpen, sondern von den Bewohner_innen mit Eigensinn erarbeitet wurden? Der Kunst soll hier eine besondere Bedeutung zukommen, da sie über Strategien der Bilderzählung und des Bildwissens verfügt. Zunehmend verlässt sie ihre bisherige Komfortzone durch gemeinschaftsorientierte Forschung und Produktion und zieht weitere Kreise in der Stadtgesellschaft.

KREISE ZIEHEN - Teil 2:

Renaud Epstein (FR)

Stadtteilforum IDEE 01239 (DE, Dresden-Prohlis)
mit Ulf Aminde, Torsten Birne, Margit Czenki, Thilo Fröbel, Andreas M. Fohr, Eva Hertzsch und Adam Page, Matthew Houlding, Felix Liebig

Im zweiten Teil der Ausstellungsreihe werden die Bildsammlungen französischer Stadtrand-Großsiedlungen des Soziologen Renaud Epstein und künstlerische Arbeiten des von Anwohner_innen und Künstler_innen geführten Stadtteilforums IDEE 01239 in der Großsiedlung Dresden-Prohlis gezeigt.

Renaud Epstein besitzt ein umfangreiches Archiv an historischen Postkartenansichten französischer Stadtrand-Großsiedlungen, den sogenannten »Banlieues«. Im Kurznachrichtendienst Twitter sendet er unter dem Namen @renaud_epstein Tag für Tag einen dieser Schätze in alle Welt.
»Die Zirkulation dieser Bilder in den sozialen Netzwerken, in dem Moment, in dem man die Siedlungen aus dem urbanen Raum physisch ausradieren will, leistet Erinnerungsarbeit und führt eine historische Perspektive in die ständig wiederkehrenden Debatten über die Quartiere ein – Quartiere, die man oft zu Unrecht als ›Ghettos‹ präsentiert.« (R. Epstein)
Nun wird ein Teil der Sammlung Epsteins erstmals außerhalb des Internets präsentiert. Ausgestellt in der station urbaner kulturen lädt sie dazu ein, Hellersdorf in einem internationalen Zusammenhang zu denken.

Im Jahr 2006 gründeten Anwohner_innen gemeinsam mit den Künstler_innen Eva Hertzsch und Adam Page in einem ehemaligen Getränkeladen der am Stadtrand gelegenen Großsiedlung Dresden-Prohlis den Verein IDEE 01239. Unter der Bezeichnung »Stadtteilforum« gestaltete der Verein Ausstellungen, Diskussionsveranstaltungen, Workshops und Interventionen im öffentlichen Raum. Die Beteiligten schafften damit ihre eigenen Produktionsbedingungen und ein gemeinsames Arbeitsmodell als Alternative zum Regelwerk des zweiten Arbeitsmarktes der Agenda 2010. Gemeinsame Motivation waren die Bearbeitung der eigenen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Prekarität und die Schaffung neuer Räume, jenseits der durch Stadtmarketing und fortschreitender Kommerzialisierung besetzten Innenstadt.
Der Rückblick auf den Verein IDEE 01239 und seine Beschäftigung mit der Produktion von Bildern aus der Peripherie öffnet einen Raum der Reflexion zur Rolle der Kunst in der Gesellschaft und zur Aufgabe der nGbK in Hellersdorf.

initiative urbane kulturen (2018): Feben Amara, Jochen Becker, Christian Hanussek, Eva Hertzsch, Adam Page
Kuratorische Unterstützung: Oliver Pohlisch, Birgit Schlieps

Termine:

Samstag, 13. Oktober 2018
15h (DE)
metroZones Berlin zu Gast:
Diskussion »NEUES HELLERSDORF: Acts of Citizenship« zur Entwicklung von Großsiedlungen mit Mohammad Al Khatib, Renaud Epstein, Jihad Issa, Sajid Khan, Henrik Lebuhn, Adam Page, Habibullah Safi, Birgit Schlieps

Die Diskussion behandelt die sozialen und städtischen Veränderungen in der Großwohnsiedlung ‘Neues Hellersdorf’ zwischen Rechtsruck und migrantischer Aneignung. Entlang Erzählungen von alltäglichen Erfahrungen bei der Wohnungs- und Arbeitssuche, einem Austausch über Urban Citizenship sowie einem Vergleich mit der Situation in ähnlichen Siedlungen in Frankreich soll das Recht auf urbane “Normalität” diskutiert werden.
Veranstalter: metroZones Berlin
Im Rahmen des Festivals URBANIZE! 2018 (www.urbanize.at)

18.30h
Ausstellungseröffnung

Montag, 5. November 2018, 20 Uhr
»Gutes Wohnen, und dann?«
Gesprächsabend mit Andrej Holm (Sozialwissenschaftler an der Humboldt-Universität zu Berlin, Mieter-Aktivist)

Bauen, Bauen, Bauen, heißt es in Berlin, und billig soll es zudem sein. Großsiedlungen wie Hellersdorf sind unter der Maxime entstanden, die „Lösung der Wohnungsfrage als soziales Problem“ bis 1990 erreicht zu haben. Doch sind soziale Fragen mit Wohnungen alleine zu lösen? Wie sieht es mit dem Einkommen aus in der real existierenden Marktwirtschaft, um sich ein gutes Leben überhaupt leisten zu können? Und ist Existenz nicht mehr als nur ein Minimum Wohnen? Mit Andrej Holm sprechen wir über die wieder akute Wohnungskrise, aber auch über Gebautes, das Äxten gleich einen erschlagen können, wie Heinrich Zille es einmal beschrieben hatte.

Freitag, 16. November 2018, 19.30h (DE)
Gesprächsrunde »Urbane Kulturen« mit Lilian Engelmann (Geschäftsführerin nGbK), Dr. Ingrid Wagner (Senatsverwaltung für Kultur und Europa) und Dr. Heinz Schütz (ehem. Kunstkommission München)

Vor Ort in Hellersdorf diskutieren wir über die Forderung des Kultursenators nach dezentraler Kunstpraxis auch jenseits der Hochkultur.

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