14. Juni–17. August 2019
Eröffnung:
13. Juni 2019
Künstler_innen
Teilnehmer_innen
Arbeitsgruppe station urbaner kulturen
Feben Amara, Jochen Becker, Fabian Bovens, Eva Hertzsch, Margarete Kiss, Constanze Musterer, Adam Page
Mitarbeit
KREISE ZIEHEN
Ausstellungsreihe seit Mai 2018
Die bildenden Künste sowie die künstlerisch informierte Stadtforschung bewegen sich im Feld der ›urban cultures‹ verstärkt aufeinander zu. Urbanität und gebauter Raum werden durch Kunst erkundet, erlebt und erzählt. Ein Feld der Auseinandersetzung sind Großsiedlungen der 1960er bis 1990er Jahre. Sie haben Dimensionen, die der Größe einer Kleinstadt entsprechen. Zentrale Funktionen einer Stadt, wie etwa die Künste und das Kulturleben, werden jedoch weiterhin im Zentrum verortet. Die Großsiedlungen bleiben deswegen vielen Menschen einer Stadt merkwürdig fremd.
Die Ausstellungsreihe KREISE ZIEHEN möchte neue Narrative und Bilder erzeugen, um die scheinbare Homogenität von Großsiedlungen zu hinterfragen und Widersprüchlichkeiten nachzuzeichnen. Wie entstehen Stereotype von Orten, wie werden sie von außen gesetzt und von innen weitergeführt? Wie können Bilder in der Peripherie entstehen, die nicht von außen ein ›Image‹ überstülpen, sondern als gemeinsame Produktion von Bewohner_innen und Künstler_innen neue Kreise in der Stadtgesellschaft ziehen?
KREISE ZIEHEN - Teil 3
Tiflis-Gldani / Berlin-Gropiusstadt
Im dritten Teil der Reihe werden Text-Bildmontagen auf Großplakatflächen auf dem Place Internationale nahe der station urbaner kulturen gezeigt. Der Künstler Christian Hanussek und die Architektin Tinatin Gurgenidze beschäftigen sich mit der Großwohnsiedlung Gldani in Tiflis und in der Arbeit des Künstlers Stephen Willats geht es um die Berliner Gropiusstadt.
Tinatin Gurgenidze & Christian Hanussek präsentieren mit ihrer Serie »Wir haben ja alles…« Einblicke in die Großwohnsiedlung Gldani, die etwa 30 % der 1 Mio. Einwohner von Tiflis beherbergt. Die Siedlung wurde als Teil des Generalplans von 1970 auf einer freien Fläche am nördlichen Stadtrand gebaut – ambitioniert angelegt als in sich funktionierende urbane Struktur. Nach dem Ende der sozialistischen Ära begannen die Bewohner_innen, ihre Wohnungen um Vorbauten, die berühmt-berüchtigten »Kamikaze Loggias«, zu erweitern und die Freiflächen zwischen den Wohnblocks mit Garagen wild zuzubauen. Mit dieser postsozialistischen Umformung ursprünglicher Planung mit teilweise brachialer Aneignung entstand eine parallele Mikroökonomie, die vielen Bewohner_innen das Überleben sichert und den öffentlichen Raum mit sozialem Austausch belebt.
Stephen Willats interveniert seit Anfang der 1960er Jahre mit seinen künstlerischen Arbeiten im sozialen Gefüge der Gesellschaft. Dabei bezieht er Menschen in den künstlerischen Schaffensprozess im Sinne einer ›Kunst als soziale Praxis‹ ein. Seine Serie »In Isolation leben« entstand 1979/80 in der Berliner Gropiusstadt zusammen mit Klaus Müller, einem Bewohner, dessen große Wohnung in einem Wohnturm hier zum Symbol der Isolation wird. Die Collagen thematisieren den physischen und psychischen Druck, dem der Einzelne durch Isolation in der Gesellschaft ausgesetzt ist. Bilder und Texte schildern, wie vielfältig persönlicher Raum in vorgegebenen Strukturen und anonymen Architekturen definiert werden kann. Es wird deutlich, wie Menschen in ihrem Bemühen um Ausdrucksformen persönlicher Identität und um ein Gemeinschaftsgefühl selbstorganisierte soziale und kreative Netzwerke erschaffen.
Termine:
Sonntag, 16. Juni 2019, 16 Uhr (DE)
»Gldani: Historie, Stadtplanung und Überformung«
Filmscreening und Vortrag von Tinatin Gurgenidze
Die Siedlung Gldani befindet sich in der nordwestlichen Peripherie von Tiflis (Georgien) und wurde zwischen den 1970- und 80er Jahren erbaut. Ursprünglich für 147.000 Einwohner_innen geplant, leben derzeit ca. 170.000 Menschen dort. Die Siedlung ist durch eine infrastrukturelle Achse geteilt und sogenannte »Mikrorajons« befinden sich auf beiden Seiten. Die Mikrorajons oder »Mikro-Quartiere« waren eine der fundamentalen Planungseinheiten in den UdSSR, die aus Wohnblöcken für 5.000 bis zu 10.000 Einwohner_innen bestanden - jede mit erforderlichen Einrichtungen ausgestattet: Kindergärten, Schulen, Lebensmittelgeschäfte sowie einige öffentliche Institutionen, wie ein Kino oder eine Bibliothek.
Nach dem Ende der Sowjetzeit begannen die Bewohner_innen ihre Wohnungen mit Vorbauten, den berühmten »Kamikaze Loggias«, zu erweitern. Die Freiflächen zwischen den Wohnblocks wurden mit zahllosen, unkonventionell gebauten Garagen geschlossen.
Im Zuge der georgischen Immobilienprivatisierung überschrieb der Staat - gegen eine Verwaltungsgebühr - die Wohnungen als Eigentum. Auch die Flächen jenseits der Haus- und Wohnungstüren gehörten nun den Hausgemeinschaften, doch resultierten daraus zahlreiche Konflikte um Besitzansprüche und Zuständigkeiten für Reparaturen und Infrastruktur. Gleichzeitig hat sich in Gldani eine Mikroökonomie ausgebreitet, die vielen Bewohner_innen das Überleben sichert und den öffentlichen Raum mit intensivem sozialen Austausch belebt: Die Umbauten und Erweiterungen dienten fortan als Läden, Werkstätten, Kneipen und Treffpunkte.
Sonntag, 21. Juli 2019
14.30 – 17.30 Uhr
Cricket Fest mit AC Berlin und Hellersdorf Cricket Club
Seit Mai 2017 spielen geflüchtete Männer aus Pakistan und Afghanistan Cricket auf der Grünfläche “Place Internationale”. In Zusammenarbeit mit der station urbaner kulturen gestalten sie ein offenes Trainingsangebot für die Nachbarschaft und initiieren damit in Hellersdorf die Umsetzung eines in vielen Ländern vorhandenen Freizeitgeländes, der sogenannten ›Recreation Grounds‹. Die großen, kostenlos zugänglichen und von den Kommunen gepflegten Rasenflächen für Erholung und Sport entstanden ursprünglich aus dem staatlichen Bekenntnis des Viktorianischen Großbritanniens zum Menschenrecht auf Gesundheit und Natur in städtischen Räumen. ›Recreation Grounds‹ werden vielerorts auch für das Cricket-Spiel genutzt.
Bis 1937 gab es in Berlin über 50 Cricket-Vereine, bevor die Gleichschaltungsmechanismen des nationalsozialistischen Regimes auch im Sport Anwendung fanden und Cricket durch die NSDAP verboten wurde. Durch den Einfluss geflüchteter Menschen erlebt dieser Sport in Deutschland heute ein Revival - der Nationalmannschaft gelang 2017 sogar die Qualifikation für die Weltliga.
Der Hellersdorfer Sportverein AC Berlin hat eine Cricket-Abteilung gegründet und inzwischen spielen geflüchtete Männer erfolgreich in der Regionalliga.
Ab Juni 2019 gibt es folgende Termine (Liga):
Sonntag, 9. Juni, 11 Uhr, gegen Eagles, Maifeld Berlin (Feld 2)
Samstag, 15. Juni, 11 Uhr, gegen BSV Britannia (in Werder)
Sonntag, 16. Juni, 11 Uhr, gegen BSV Britannia 2, Maifeld Berlin (Feld 1)
Sonntag, 23. Juni, 11 Uhr, gegen BCC 2, Maifeld Berlin (Feld 1)
Sonntag, 28. Juli, 14 Uhr, gegen BCC 1 (in Werder)
Samstag, 10. August, 14 Uhr, gegen Viktoria (in Werder)
Sonntag, 15. Sept, 11 Uhr, gegen Halle (in Werder)
Das Cricket Fest findet im Rahmen von »DIE PAMPA LEBT – Hellersdorf als Großwohnsiedlung gestern, heute und morgen« statt.
»DIE PAMPA LEBT – Hellersdorf als Großwohnsiedlung gestern, heute und morgen« wird aus Mitteln aus dem Programm “Soziale Stadt” gefördert sowie vom Amt für Weiterbildung und Kultur Marzahn-Hellersdorf unterstützt.
18 Uhr
»Nicht-mehr, noch-nicht«
Filmscreening
»Nicht-mehr, noch-nicht«, Dokumentarfilmessay von Daniel Kunle und Holger Lauinger (2004, DE/Orig. und engl. Untertitel, 82 min)
Die städtischen Brachen fungieren als ein physisches Zeichen und künden auch von der situativen Offenheit und neuen Möglichkeitsräumen, ein Nicht-Mehr und Noch-Nicht. Sie könnten Ausgangspunkte einer kulturellen Erneuerung der Stadt werden. Kann das Bild ›Stadtbrache‹ in den Köpfen der Menschen positiv gewendet werden?
»Nicht-mehr, noch-nicht« reflektiert den Möglichkeitsraum von Brachen. Eine neue Generation kultureller Interventionen auf Brachflächen werden vorgestellt: unkonventionelle Akteur_innen, Projekte und Visionen, die sich mit der Reaktivierung von ›Urbanität‹ auf verschiedenen ›terrains vagues‹ beschäftigen. Die Zuschauer_innen erfahren Anregungen und Inspirationen. Welche Freiräume und Möglichkeiten bietet die städtische Brache den Bürger_innen?
Samstag, 10. August 2019, 18 Uhr (DE)
»Die Landkartenfabrik als Unterkunft für Geflüchtete«
Filmscreening und Vortrag von Tinatin Gurgenidze
Nach dem Konflikt zwischen Georgien und Abchasien in den frühen neunziger Jahren verließen rund 200.000 ethnische Georgier_innen und Abchas_innen ihre Heimatregionen. Die Mehrheit dieser Binnenvertriebenen (Internal Displaced Persons, IDPs) wohnt heute in ehemaligen öffentlichen Verwaltungsbüros in Georgien, die nie für Wohnzwecke bestimmt waren.
Nur ein kleiner Teil der ehemaligen Kartenfabrik von Gldani, die in den 1970er Jahren erbaut wurde, behält seine ursprüngliche Nutzung. Der Rest des Gebäudes beherbergt 102 Binnenvertriebene aus Abchasien. Die Bewohnerin Tamta verbrachte hier ihre ganze Kindheit und kann sich erinnern, wie der Flur überflutet wurde, wenn es durch das beschädigte Dach regnete. Sie und die anderen Kinder sahen dies als Chance und verwandelten den überfluteten Flur in einen Spielplatz.
Samstag, 17. August 2019
14.30–17.30 Uhr
Cricket Fest mit AC Berlin und Hellersdorf Cricket Club
Seit Mai 2017 spielen geflüchtete Männer aus Pakistan und Afghanistan Cricket auf der Grünfläche “Place Internationale”. In Zusammenarbeit mit der station urbaner kulturen gestalten sie ein offenes Trainingsangebot für die Nachbarschaft und initiieren damit in Hellersdorf die Umsetzung eines in vielen Ländern vorhandenen Freizeitgeländes, der sogenannten ›Recreation Grounds‹. Die großen, kostenlos zugänglichen und von den Kommunen gepflegten Rasenflächen für Erholung und Sport entstanden ursprünglich aus dem staatlichen Bekenntnis des Viktorianischen Großbritanniens zum Menschenrecht auf Gesundheit und Natur in städtischen Räumen. ›Recreation Grounds‹ werden vielerorts auch für das Cricket-Spiel genutzt.
Bis 1937 gab es in Berlin über 50 Cricket-Vereine, bevor die Gleichschaltungsmechanismen des nationalsozialistischen Regimes auch im Sport Anwendung fanden und Cricket durch die NSDAP verboten wurde. Durch den Einfluss geflüchteter Menschen erlebt dieser Sport in Deutschland heute ein Revival - der Nationalmannschaft gelang 2017 sogar die Qualifikation für die Weltliga.
Der Hellersdorfer Sportverein AC Berlin hat eine Cricket-Abteilung gegründet und inzwischen spielen geflüchtete Männer erfolgreich in der Regionalliga.
Ab Juni 2019 gibt es folgende Termine (Liga):
Sonntag, 9. Juni, 11 Uhr, gegen Eagles, Maifeld Berlin (Feld 2)
Samstag, 15. Juni, 11 Uhr, gegen BSV Britannia (in Werder)
Sonntag, 16. Juni, 11 Uhr, gegen BSV Britannia 2, Maifeld Berlin (Feld 1)
Sonntag, 23. Juni, 11 Uhr, gegen BCC 2, Maifeld Berlin (Feld 1)
Sonntag, 28. Juli, 14 Uhr, gegen BCC 1 (in Werder)
Samstag, 10. August, 14 Uhr, gegen Viktoria (in Werder)
Sonntag, 15. Sept, 11 Uhr, gegen Halle (in Werder)
Das Cricket Fest findet im Rahmen von »DIE PAMPA LEBT – Hellersdorf als Großwohnsiedlung gestern, heute und morgen« statt.
»DIE PAMPA LEBT – Hellersdorf als Großwohnsiedlung gestern, heute und morgen« wird aus Mitteln aus dem Programm “Soziale Stadt” gefördert sowie vom Amt für Weiterbildung und Kultur Marzahn-Hellersdorf unterstützt.
18 Uhr (DE)
»Die Tiflis Architektur Biennale«
Vortrag von Tinatin Gurgenidze
Die Tiflis Architektur Biennale (TAB) 2018 war die erste, die seit der Wiedererlangung der Unabhängigkeit Georgiens im Jahr 1991 stattfand. Mit der Veranstaltung sollte ein kulturelles Architekturereignis geschaffen werden - für die Stadt ein Novum.
Im Jahr 2013 begann die Kuratorin und Mitbegründerin der TAB Tinatin Gurgenidze über die riesige Siedlung Gldani in der georgischen Hauptstadt zu recherchieren, die Bewohner_innen zu befragen und zu dokumentieren, wie sie die Gebäude, in denen sie leben, in Eigenregie umgestaltet haben.
Unter dem Titel »Gebäude sind nicht genug« widmete sich die Biennale den Transformationsprozessen der Stadt und den neu erfundenen Gewohnheiten ihrer Bewohner_innen. Die TAB versuchte dieses städtische Phänomen zu lesen und mit ihm zu interagieren: Die Bewohner_innen waren dabei, die Architektur und die gebaute Umwelt zu verändern und so an ihre sich ändernden Bedürfnisse anzupassen. Die Biennale wies auf die Transformationsprozesse hin, die in den sogenannten Mikrorayons oder Mikrobezirken der großen modernistischen Siedlungen der Sowjetunion stattfinden. Dies eröffnete ein ganzes Spektrum von Fragen, die über die eingeschränkte Idee ›Sowjet‹ hinausgingen.
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