nGbK Lectures 2017

29. März–31. Dezember 2017

Veranstaltungsreihe

Ort(e):
nGbK (Veranstaltungsraum, 1.OG), Oranienstraße 25, 10999 Berlin

Teilnehmer_innen

Robin Detje, Tashy Endres, Akshaya Krishnamoorthy, Suresh Kumar, Beral Madra, Adam Page, Dont Rhine, Ceren Türkmen

Vereinsinitiative

Das Format »nGbK lectures« startete 2016. In Podien und Debatten mischt sich die nGbK in das öffentliche Gespräch ein, erarbeitet Stellungnahmen, solidarisiert oder empört sich. In zeitlich unregelmäßigen Abständen organisieren Vereinsmitglieder Abendveranstaltungen zu kulturpolitischen Themen.

Mittwoch, 29. März 2017, 19 Uhr
Im Veranstaltungsraum, 1. OG
Uproar! Occupency! Resistance!
About the fight of the Arts against signs of privatization and rightwing populism

[Aufstand! Besetzung! Widerstand! Über den Kampf der Kunst gegen Zeichen von Privatisierung und Rechtspopulismus]
Suresh Kumar und Akshaya Krishnamoorthy, Bangalore sprechen mit Robin Detje, Berlin
Begrüßung: Ingo Arend (Journalist, Präsidiumsmitglied der nGbK)
(en)
Bangalore ist überall. Die Kontraste zwischen neoliberaler New Economy und der Zivilgesellschaft sind in der südindischen IT-Metropole zwar besonders extrem. Aber die Tendenz, den öffentlichen Raum Tortenstück für Tortenstück zu verkaufen, Kultur als wertsteigernden Standortfaktor zu verstehen und sie in kapitalistische Unternehmenskultur und Markenpflege übergehen zu lassen, ist weltweit ein Problem.
Im Frühjahr und Sommer 2016 gab es in Südindien einen Künstler_innenaufstand. Er endete mit einem Sieg der Künstler_innen über einen Großunternehmer. Der öffentliche Raum wurde erfolgreich gegen die Privatisierung verteidigt.
Suresh Kumar war einer der wichtigsten Rädelsführer dieses Künstler_innenaufstands von Bangalore. Er ist als bildender Künstler und Mitbegründer diverser kollektiver Kunstprojekte und als Installations- und Performancekünstler auf die sozialen und ökologischen Folgen rasanter Urbanisierungsprozesse fokussiert. Er berichtet von der Schlüsselfunktion der Venkatappa Gallery, durch deren Besetzung die feindliche Übernahme und Privatisierung abgewendet werden konnten, und erläutert die dabei angewandten künstlerischen und politischen Strategien.
Robin Detje war auf einer Residenz des Goethe-Instituts in Bangalore. Als Teil der Berliner Künstlergruppe bösediva hat er den Widerstand vor Ort beobachtet und daran teilgenommen. Er liefert die Perspektive des Fremden aus Europa nach und versucht, seine Erfahrungen in den Berliner Kontext einzuordnen.
Robin Detje ist Teil der Künstlergruppe bösediva, lebt in Berlin
Suresh Kumar Gopalreddy ist Mitbegründer von kollektiven Kunstprojekten, unter anderem von BAR1 studios, dem ältesten von Künstlern organisierten Residence-Programm in Bangalore, oder zero8zero. Er verfolgt seit 2002 die Möglichkeiten einer von Wettbewerb unabhängigen Zusammenarbeit. 2002 erhielt er den Master in Bildhauerei am ArtCollege Neu Delhi.
Akshaya Krishnamoorthy, geboren in Chennai (Indien), lebte 5 Jahre lang in Bangalore. Sie trat dort dem Forum bei und unterstützte dessen Aktivitäten und eine Reihe von Veranstaltungen. Derzeit lebt und graduiert sie in Prag.


Donnerstag, 4. Mai 2017, 19 Uhr
Im Veranstaltungsraum, 1. OG
Im Dissens: Künstlerisches Engagement, Gentrifizierung und Nachbarschaft
[Voicing Dissent: Artistic Engagement, Gentrification and Neighbourhood]
Dont Rhine, Boyle Heights, Leonardo Vilchis, Angel und Kean O’Brien
In Debatten um gesellschaftlich engagierte Künstler_innen und Kunstinstitutionen wird oft behauptet, dass Kunst zum Gemeinwohl beiträgt und dass ihre direkte Umgebung sowie die Gesellschaft im Allgemeinen von ihr profitieren würde.

Doch was, wenn die lokale Bevölkerung sich entscheidet, nicht mehr zuzuschauen oder bereitwillig an „sozial engagierten Kunstprojekten“ teilzunehmen – und so auf die Tatsache hinweist , dass die Einkehr von Kulturinstitutionen in Stadtteilen und Nachbarschaften oft weniger den Bewohner_innen als vielmehr der Immobilienindustrie im Prozess der Gentrifizierung zugute kommt?
Was, wenn diese Gemeinschaften ihre eigenen Standards für künstlerisches Engagement formulieren und statt eines weiteren Kunstprojekts die Verbesserung der sozialen Dienste in der Gegend fordern?

„Artwashing“ bezeichnet die Instrumentalisierung von Kunst zur kapitalistischen Aufwertung und Gentrifizierung. Tragen Künstler_innen und Kunstinstitutionen unvermeidlich zu diesen Prozessen in ihrer Nachbarschaft bei? Wie können wir Strategien entwickeln, um diesen Automatismus der städtischen Segregation und Verdrängung im Zusammenhang mit der Anwesenheit der „kreativen Klasse“ zu vermeiden? Und wie können wir eine emanzipatorische Kunst- und kunstinstitutionelle Praxis auf Augenhöhe und in Solidarität mit ihren Mitmacher_innen, Nicht-Teilnehmenden und Nachbar_innen entwickeln?

Diese und weitere Fragen diskutieren wir mit Dont Rhine (Sound-Künstler, Ultra Red, L.A.) sowie mit Mitgliedern der Boyle Heights Alliance Against Artwashing and Displacement (BHAAAD), einer Nachbarschaftsorganisation, die gegen die Gentrifizierung durch Kunstgalerien in ihrem Stadtteil in Los Angeles, Kalifornien, protestiert (vertreten von Leonardo Vilchis, Angel und Kean O’Brien via Skype).

Diskussionsteilnehmer_innen: Tashy Endres (Stadtforscherin, Aktivistin), Adam Page (Künstler und Kunstvermittler, Berlin), Ceren Türkmen (Ultra Red, Berlin) und weitere Gäste, die sich mit den oben angesprochenen Themen hier in Berlin-Kreuzberg befassen.

Sprachen: Vorträge auf Englisch, offenes Gespräch auf Deutsch und Englisch
Organisiert von der nGbK (Joerg Franzbecker, Naomi Hennig, Ulrike Jordan)


Freitag, 18. August 2017, 19 Uhr
Im Veranstaltungsraum, 1. OG (en)
Kunstproduktion und Kuratieren in Zeiten des Postfaktischen
[Art making and curating through the passage of post-truth]
Beral Madra
Begrüßung: Cagla Ilk (nGbK-Präsidium)

Postfaktisch ist inzwischen zu einem weitverbreiteten Begriff geworden, mit dem der gegenwärtige, paradoxe Zustand der Menschheit, deren Epistemologie und Ontologie beschrieben wird. Es geht bei diesem Begriff hauptsächlich darum, die politische und ökonomische Macht zu fassen. Die Türkei ist in jeglicher Hinsicht in eine extrem prekäre, historische Phase eingetreten. Das Nachdenken und Sprechen über die Produktion und das Kuratieren zeitgenössischer Kunst in diesen Zeiten haben durchaus ihre ernsten Momente. In der Türkei produzieren zeitgenössische Künstler_innen Kunst und initiieren zusammen mit Kunstexpert_innen Aktionen und Aktivitäten. Private Institutionen und einzelne Initiativen sind fest entschlossen, kulturelle Ziele und Intentionen wie eine klare und unvoreingenommene Vorstellung von demokratischer Veränderung, von Meinungsfreiheit, Pluralismus, Menschenrechten und Genderrechten, einem verantwortlichen Umgang mit Umweltproblemen und der Schärfung des öffentlichen Bewusstseins zu realisieren. Mit diesen Prinzipien wird zurzeit für die Durchsetzung demokratischer Prozesse und gegen das entstehende totalitäre Regime, das tief in einer postfaktischen Politik verwurzelt ist, gekämpft.
Beral Madra, eine der prägenden Figuren der neuen Kunstszene der Türkei der 90er Jahre, spricht über die Aussichten von Kunst und Künstler_innen in einem Land, das unaufhaltsam in Richtung Diktatur marschiert.

Nach der Ausstellung „77/13 – Politische Kunst im Widerstand in der Türkei“ und der Veranstaltung „After the Coup“ im letzten Herbst setzt die nGbK mit dieser Lecture ein weiteres Zeichen der Solidarität mit den Künstler_innen in der Türkei und die Beschäftigung mit dem Thema Kunst in der Türkei fort.

Beral Madra, Jahrgang 1942, ist Kunstkritikerin und Kuratorin. Sie kuratierte die ersten beiden Istanbul-Biennalen 1987 und 1989, mehrfach den türkischen Pavillon auf der Biennale in Venedig und organisiert bis heute auch in Berlin, Stuttgart, München, Athen und vielen anderen Städten Europas Ausstellungen. 2010 kuratierte sie das Kunstprogramm von „Istanbul – Kulturhauptstadt Europas“. Sie hat mehrere Bücher zur zeitgenössischen Kunst veröffentlicht, als Kritikerin schreibt sie für Zeitungen und Magazine. In Istanbul gehörte sie 2012 zu den Mitbegründer_innen der Galerie Kuad.


Sonntag, 10. Dezember 2017, 18 Uhr
Im Veranstaltungsraum, 1. OG
Zum Gemeinplatz, Kunst sei emanzipatorisch (DE)
Ruth Sonderegger

Begrüßung und Moderation Kathrin Busch (Präsidiumsmitglied der nGbK)

Gegenwärtige Theoretiker_innen der ästhetischen Emanzipation, insbesondere Gayatri Chakraworty Spivak und Jacques Rancière, beziehen sich zentral auf die ästhetischen Erziehungsprojekte der europäischen Aufklärung. Ich versuche diese Rückgriffe zu verstehen, indem ich einige Bausteine für eine Genealogie des Denkens der ästhetischen Befreiung zusammen trage: als eine Geschichte, in der häufig die Gewalt den Sieg davon trägt.

Der Vortrag findet in Kooperation mit dem DFG-Graduierten-Kolleg „Das Wissen der Künste“ der UdK, Berlin statt. Die Lectures sind eine Veranstaltungsreihe der neuen Gesellschaft für bildende Kunst, nGbK.

Ruth Sonderegger ist Professorin für Philosophie und ästhetische Theorie an der Akademie der bildenden Künste Wien. Ihre Forschungsfelder sind: Geschichte der Ästhetik, kritische Theorien und Theorien des Widerstands. Letzte Buchpublikationen: Art and the Critique of Ideology After 1989 (hg. mit E. Birkenstock, M. Hinderer und J. Kastner), Bregenz/Köln, 2013; Pierre Bourdieu und Jacques Rancière. Ästhetisches Regime oder ästhetische Disposition? (hg. mit J. Kastner), Wien, 2014; Spaces for Criticism. Contemporary Art Discourses (hg. mit P. Gielen, Th. Lijster, S. Milevska); Foucaults Gegenwart. Sexualität – Sorge – Revolution (Ko-Autorinnen: G. Ludwig and I. Lorey), Wien: transversal texts 2016.