Steppenwolf – oder das Geräusch des urbanen Raums

27. Juni–26. Juli 2009
Eröffnung: 26. Juni 2009

Ausstellung
Publikation

Ort(e):
NGBK, Oranienstraße 25

Künstler_innen

Rineke Dijkstra, Ronald Gerber, Christian Jankowski, Nicolas Kantuser, Reynold Reynolds

Arbeitsgruppe RealismusStudio

Christin Lahr, Simon Marschke, Mara Traumane, Frank Wagner, Susanne Weiß

Die Ausstellung kreist um Verletzlichkeit, Einsamkeit und Misanthropie in der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts. Fünf Werke – vier Videoinstallationen und eine zweiteilige Fotoarbeit - werden in der Ausstellung gegenübergestellt. Sie alle inszenieren Alltag in zugespitzter Form und handeln von ausgeprägten Persönlichkeiten.

Mit dem Ausstellungstitel Steppenwolf stellt sich sofort die Verbindung zu Hermann Hesses gleichnamigen Werk ein: zu seinem unsteten Protagonisten, den wechselnden Erzählerperspektiven und seiner Kultur- und Zivilisationskritik. Das 1927 erschienene Buch war ein Reflex auf die Erscheinungen der modernen Massen- und Industriegesellschaft der zwanziger Jahre und verteidigte vielleicht zum letzten Mal romantisches Potential und das Leben der Bohéme als Gegenmodell. Wie sehen solche Reflexe heute aus?
Steppenwolf markiert heute eine Zeitströmung von Selbstfindung und Existenzialismus sowie ihres Stereotyps. Die Chiffre “Steppenwolf” konnte zum griffigen Namen einer Heavy Metal Band, von Theatergruppen, einem Mountainbike-Hersteller oder eines Outdoor-Ausrüstungsgeschäfts banalisiert werden, weil sich damit Individualismus, Eigensinn und Gegenkultur propagieren lassen.

Die Ausstellung entlehnt ihren Titel einem gleichnamigen Kurzfilm des Filmemachers Nicolas Kantuser, aus dem Jahr 2007, in welchem der Protagonist sich, seiner unbedingten Vorstellungen über das Leben wegen, mehr und mehr von seinen Bekannten und Freunden entfremdet.
Das komplexe Verhältnis von Individuum und Gesellschaft und das Freilegen von daraus resultierenden Persönlichkeitsstrukturen ist immer wieder Thema künstlerischer Auseinandersetzung. In der Ausstellung werden unterschiedliche Erzählerperspektiven angewandt, um vielfältige Persönlichkeitsbilder zu entwerfen.
Es sind Studien zur sozialen Existenz, ihrer Brüchigkeit, dem Leiden an der Gesellschaft, dem Hinnehmen von Verletzungen, dem Erdulden und dem Ausagieren.
Bei der Zusammenstellung interessierte auch die Stilisierung gesellschaftlichen Handelns und das Klischee und wie sie als zeitgenössische künstlerische Verfahren eingesetzt werden, um etwas über den gegenwärtigen Zustand der Zivilisation mitzuteilen.

In Nicolas Kantusers Kurzfilm “Steppenwolf” (2007) wird die Menschenfeindlichkeit von Harry Haller, der zentralen Figur in Hermann Hesses Roman, zum Ausgangspunkt einer zeitgenössischen Studie über Misanthropie in der Großstadt gemacht.

Rineke Dijkstras zweiteilige Fotoarbeit aus dem Jahr 2003 “Evgenya, Induction Center Tel Hashomer, Israel March 6, 2003” und„”Evgenya, North Court Base Pikud, Tzafon, Israel, December 9, 2003” von der Veränderung einer jungen Frau, die den israelischen Militärdienst absolviert, erzählt mehr darüber was wir in diese Bildsequenz hinein lesen, als davon was sich von den Portraits ablesen lässt.

In der Videoarbeit von Ronald Gerber “Spiegelpyramide” (2009) entwickelt der Künstler als sein eigener Darsteller drei Charaktere, die in unterschiedlicher Ausprägung rationale, emotionale und esoterische Ideale für sich und ihr bewusstes Handeln zu formulieren suchen.

“Six Apartments” (2007) ist eine Zwei-Kanal-Audio-Videoinstallation, in der Reynold Reynolds Räume und deren Bewohner inszeniert, die von zunehmendem Verfall und Morbidität gekennzeichnet sind. Kito Nedo, der Autor des Essays zur Ausstellung, spricht von “Trennung, Erstarrung und Isolierung der beobachteten Charaktere”.

Christian Jankowski lässt in der Videoinstallation “Angels of Revenge” (2006) durchschnittliche Individuen genüsslich Mord- und Rachefantasien mit den Effekten des Horror- und Splattermovie-Genres ausmalen.

Zur Ausstellung erscheint eine Broschüre mit einem Essay des Autors und Journalisten Kito Nedo. ISBN: 978-3-938515-29-7

Pressestimmen

Berliner Zeitung, 23.07.2009 (o.A.)
“In der Ausstellung ‘Steppenwolf - oder das Geräusch des urbanen Raums’ werden vier Videoinstallationen und eine zweiteilige Fotoarbeit von fünf Künstlern gegenübergestellt. Der Ausstellungstitel nimmt Bezug auf den gleichnamigen Roman von Hermann Hesse: ein Abgesang romantischer Lebensvorstellung beim Anbruch der modernen Industriegesellschaft.”