Der umschwiegene Ort

Fotodokumentation zur Auseinandersetzung mit dem Gestapo-Gelände in Berlin

19 December 1986–23 January 1987

Exhibition
Publication

Location(s):
NGBK, Tempelhofer Ufer 22

Project group RealismusStudio

Leonie Baumann, Hans-Gerd Schulte, Beatrice Stammer, Beatrice Vierneisel, Sabine Weißler, Christiane Zieseke

Aus der Publikation:
Die Ausstellung versucht den Stand der Diskussion über das Gestapo - Gelände zu resümieren. Besonders in den letzten Jahren gab es eine mehrstufige Entwicklung. Zunächst wurde ein offener Wettbewerb zur ‘Gestaltung des Prinz - Albrecht - Palais - Geländes’ durchgesetzt. Im Verlauf der Diskussion der eingereichten und der prämierten Beiträge wurde das Unvermögen sichtbar, die Erinnerung an die Nazi - Vergangenheit ästhetisch zu verarbeiten. Diese Erkenntnis gab der Forderung nach der Verwirklichung des Aktiven Museums (der gleichnamige Verein arbeitet seit einigen Jahren) neuen Auftrieb. In ihm sollte die Geschichte von Widerstand, Verfolgten und Tätern gesammelt, archiviert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Das ‘aktive Gedenken’ scheint die einzige mögliche Lösung - die mutigste allemal.

Aus der Einladung:
Zwischen der heutigen Stresemann-, Wilhelm-, Niederkirchner- und Anhalterstraße befand sich in der Nazi-Zeit das ‘Reichssicherheitshauptamt’. In ihm waren zahlreiche Gestapo-, SS- und SD-Dienststellen zusammengefaßt, die die internationale Verfolgung und Ermordung von Millionen Menschen aus ‘rassischen’, religiösen oder politischen Gründen betrieben. Besonders die Prinz-Albrecht-Straße 8 (heutige - Käthe-Niederkirchnerstraße) war zum Hausgefängnis der Nazis ausgebaut worden. Aus allen besetzten Ländern, aus ganz Deutschland, wurden Widerstandskämpfer hierher gebracht, um aus ihnen durch Folter Informationen und Geständnisse herauszupressen. Unmittelbar nach Kriegsende setzte der Verdrängungsprozeß der Geschichte ein, die an diesem Ort gemacht worden war.

Press commentary

tip, 2/1987 (Angelika Stepken)
“Mit einer Ausstellung, die angeblich ‘den Stand der Diskussion über das Gestapo-Gelände’ zu resümieren versucht, will die Neue Gesellschaft für Bildende Kunst (NGBK) noch einmal vor Eröffnung der offiziellen Dokumentation vor Ort im Mai ihre Position zu dem ‘umschwiegenen Ort’ forcieren. […] Was die Arbeitsgruppe der NGBK nun präsentiert, ist ein parteiisches und demagogisches Stimmungsbild, das mit Fragmenten statt mit Argumenten für ein ‘Aktives Museum’ plädiert. […] Wer sich in der nun fast zehn Jahre währenden mehr oder weniger zähen Diskussion um den umschwiegenen Ort bislang noch nicht orientiert hat, dem sei von einem Ausstellungsbesuch dringend abgeraten.”

Südost Express, Jan 1987 (Jan Gympel)
“Hilflosigkeit, Ratlosigkeit - das sind die bestimmenden Momente im Umgang mit der deutschen Geschichte und daher auch mit diesem Gelände. Eine Hilflosigkeit, die diese Ausstellung nicht zuletzt dokumentiert, indem sie sie selbst an den Tag legt. Da werden Splitter zusammengetragen, einige Aspekte beleuchtet. […] Vorsichtig, vorsichtig nähert man sich der Vergangenheit. Aber die Bewegung ist nur eine scheinbare. Endlose Diskussionen, die zum einen berechtigt sind, zum anderen aber auch den unschätzbaren Vorteil haben, dass sie konkretes Handeln ausschließen. Was sollen wir mit diesem ‘umschwiegenen Ort’ anfangen?”

FAZ, 24.12.1986 (Sibylle Wirsing)
“Wenige Tage vor Weihnachten hat die Berliner Neue Gesellschaft für Bildende Kunst eine dokumentarische Ausstellung mit dem Titel ‘Der umschwiegene Ort’ eröffnet. Es handelt sich um dasselbe Gebiet, dessen archäologische Sicherung vor kurzem gegen alle Widerstände in Gang gekommen ist. Sein Name schwankt. Die einen sprechen von Prinz-Albrecht-Gelände, die anderen vom Gestapo-Gelände. Die letztere Bezeichnung setzt sich allmählich für den Schauplatz der nationalsozialistischen Polizei- und Sicherheitsapparatur durch. […] Die Ausgrabung bedeutet daher nach Jahren und Jahrzehnten nicht nur den Kontakt mit der Hitler-Epoche, sondern auch die Tuchfühlung mit dem folgenden Erinnerungs-Tabu.
[…] Die Geschichte, die mit einem Betonboden, mit den eingemauerten Sockeln der Zellwände und einem letzten, krümelnden Rest des Estrichs sichtbar geworden ist, schließt die Identifikation aus. Wer will hier Opfer oder Täter gewesen sein? […] Das Relikt besagt zumindest, dass an diesem Platz viele, ungezählte und unbenannte Menschen ihrer Freiheit beraubt worden sind, und es demonstriert, was den Überlebenden das Andenken wert gewesen ist.”

taz, 21.01.1987 (Esther Slevogt)
“Und plötzlich hat man im letzten Sommer zu graben begonnen. […] Es wurden Fundamente und Reste von Kellerräumen freigelegt. Eine Entdeckung, die man allenthalben äußerst spektakulär fand. Denn bei den Ausgrabungen handelte es sich um die Überbleibsel der Gebäude um das Prinz-Albrecht-Palais. […] Zwei Ausstellungen beschäftigen sich mit diesem Gelände. […] Es werden Stimmungen präsentiert, keine Dokumente oder Diskussionsbeiträge. […] Eigentlich wird das Gelände als feuilletonistischer Abenteuerspielplatz benutzt, wo man mit viel Gefühl den Spaten schwingt. Eine historische Geisterbahn: Hier können sich Bürger richtig gruseln. Von einer redlichen Bemühung und Annäherung an dies Stück Berlin ist wenig zu denken.”