23. November 2016
Mittwoch, 23. November 19.30 Uhr
Proletarier aller Länder, bekämpft euch!
Diskussionsveranstaltung zur Flüchtlingskrise
Die Massenbewegung flüchtender Menschen hat im Sommer und Herbst 2015 der Festung Europa ihre Grenzen aufgezeigt und temporär zu chaotischen Zuständen geführt. So wurden kurzzeitig Bruchlinien im staatlichen Migrationsmanagement erkennbar und die praktische Hilfe der Bevölkerung - von Merkel und Medien als «Willkommenskultur» gelabelt - fing über Monate das Versagen der Behörden auf. Mittlerweile wurde sie zu großen Teilen in staatliche Bahnen gelenkt, einige arbeiten heute meist unter prekären Bedingungen für Lohn im Flüchtlingsbusiness. Die Erwartung vieler Linker, die Kämpfe entlang der Fluchtrouten würden in Deutschland ungemindert fortgeführt, haben sich nicht erfüllt.
Spätestens nach den Asylpaketen I+II und dem Türkei-Deal wurde der «kurze Sommer» schnell in den «langen Herbst der Migration» verkehrt und Merkel steht mit ihrer Politik der subtilen Härte scheinbar als Siegerin da. Sie hat den deutschen Führungsanspruch in Europa vorerst gesichert, die Renationalisierung Europas einstweilen gebremst und damit den kapitalfunktionalen Normalzustand aufrechterhalten.
Gleichzeitig scheinen die Trennlinien zwischen den Geflüchteten mittlerweile immer größer zu werden und gemeinsame Kämpfe in weite Ferne gerückt. Und gäbe es denn die neuen Kämpfe, so wäre eine Solidarisierung deutscher Proletarisierter mit den neuen Migrant_innen kaum wahrscheinlich, verlassen sie sich im Konkurrenzkampf am Wohn- und Arbeitsmarkt doch anscheinend eher auf AfD & Co. Dagegen sind antifaschistische Abwehrkämpfe und linke Merksprüche machtlos. «Proletarier aller Länder, bekämpft euch!» scheint die Losung der Gegenwart zu sein. Die systematisch erzeugte Frontstellung zwischen überflüssigen und potenziell überflüssigen Proletariern bestimmt heute rund um den Globus die politische Großwetterlage.
Inzwischen sind zahlreiche staatliche Maßnahmen (Lagerunterbringung, Sachleistungsprinzip, Residenzpflicht), die unter dem Druck der Kämpfe der letzten Jahre abgeschafft oder praktisch kaum durchsetzbar waren, für Hunderttausende wieder Alltag. Dagegen gibt es vereinzelte Proteste, aber keine größere Bewegung. Unter den gegebenen Umständen ist uns nicht klar, wie eine neue Dynamik von Kämpfen entstehen könnte und laden zur offenen Diskussion ein.