16. November 2019–19. Januar 2020
Teilnehmer_innen
Vivian Chan, Valeria Fahrenkrog, Marieta Campos Gisbert, Christina Harles, Khansa Humeidan, Claudia Hummel, Paula-Marie Kanefendt, Marcos García Pérez, Heather Purcell, Zsófia Puszt, Georg Scherlin, Moritz Scheuermann, Ximena Gutiérrez Toro, Susana Vasquez Torres, Weiqi Wang, Florian Wüst, Mingjie Zhou
Arbeitsgruppe
Valeria Fahrenkrog, Moritz Gramming, Katharina von Hagenow, Claudia Hummel, Marcos García Pérez
Von 1969 bis 1972 existierte in der nGbK (damals: NGBK) die Arbeitsgruppe Spielumwelt. Die Grundidee bestand darin, eine kapitalismuskritische künstlerische Praxisform für und mit Kindern der Arbeiter_innenklasse zu entwickeln. Als Alternative zur illusionsversprechenden Spielwarenindustrie sollte mit Kindern eine realistische Spielumgebung gebaut werden – ein Raum zur Entwicklung von Selbstbewusstsein für die Herausforderungen der Lebenswelt.
Zur Umsetzung wurde in der Kulmer Straße 20a in Berlin-Schöneberg eine Fabriketage angemietet. Über mehrere Monate hinweg errichteten dort die Künstler_innen zusammen mit Kindern aus dem Kiez, im sogenannten ›Spielklub‹, eine Spielstadt. Sie beinhaltete unter anderem eine Bank, eine Bühne, ein Hotel, einen Großhandel, einen Kindergarten, einen Waffelstand, einen Fotoladen, Tapeten Maier und einen Boxring. Es wurde Geld gedruckt – die ›Kulmer Mark‹ und die Kinder nannten den Spielklub von diesem Moment an ›Das Fest‹.
Die Versuchsanordnung des »Spielklubs Kulmer Straße« wird nun als »Spielclub Oranienstraße 25« wiederaufgeführt. Der Ausstellungsraum der nGbK verwandelt sich dafür in einen symbolischen Nachbau der Oranienstraße. Berliner Schulklassen werden darin Spieltage verbringen und selbst um die Stadt spielen – genauer: um die Oranienstraße. Dabei stehen aktuelle Stadtentwicklungsfragen, wie beispielsweise die Mietenpolitik oder die Teilhabe an gesellschaftlichen Veränderungen zur Aushandlung.
Parallel zum neuen Spielclub wird eine Ausstellung über den historischen Spielklub und über gesellschaftliche Diskurse, die in den 1970er-Jahren die Intentionen der AG Spielumwelt rahmten, gezeigt.
Der Spielclub steht wochentags den darin spielenden Gruppen zur Verfügung. Ab 15 Uhr und an den Wochenenden ist der Ausstellungsraum geöffnet. Kinder, Eltern, Interessierte und das Fachpublikum sind eingeladen, den Spielclub und die Ausstellung durch das vielgestaltige Vermittlungsprogramm kennenzulernen. Am Ende dieser mehrwöchigen Kontaktaufnahme zur Geschichte der AG Spielumwelt gibt es eine öffentliche Gesprächsrunde mit damaligen und heutigen Spielclub-Künstler_innen sowie ein Fest für Kinder.
Termine:
Samstag, 23. November 2019, 14:00 – 17:00
Workshop (DE)
»Fotoakademie für Kinder und Jugendliche« mit Valeria Fahrenkrog und Zsófia Puszt
Zur Fotoakademie sind Kinder und Jugendliche zwischen 8 und 13 Jahren eingeladen, die im Spielclub symbolisch nachgebaute Oranienstraße fotografisch zu dokumentieren. Wie sehen Fotos von Stadtsituationen und Straßenfluchten aus? Auf welche Details fällt unser Blick beim Flanieren im Raum? Am Ende wird eine kleine Ausstellung entstehen.
Samstag, 23. November 2019, 14:30
Tour durch die Ausstellung zum historischen ›Spielklub‹ (DE)
mit Claudia Hummel
Diese Tour lädt neben allen Interessierten auch die Eltern ein, deren Kinder in der parallel stattfindenden Fotoakademie teilnehmen.
Dienstag, 26. November 2019, 18:00
Lesung und Gespräch (DE)
»Kunst+Unterricht lesen« mit Claudia Hummel und Paula-Marie Kanefendt
Im Jahr 1981 erschien in der kunstpädagogischen Zeitschrift »Kunst+Unterricht« ein Artikel über das vom Modellversuch Künstlerweiterbildung (heute: Institut für Kunst im Kontext) initiierte »Bauvorhaben Mitmachstadt«. Heute sind derartige inhaltliche Überschneidungen der Arbeit von Kunst im Kontext oder der nGbK mit diesem zentralen kunstpädagogischen Medium »Kunst+Unterricht« überwiegend vergessen. Sie alle beschäftigten sich in den 1970er-Jahren mit Konzepten und Experimenten im Feld einer links-utopischen und an Strategien zeitgenössischer Kunst ausgerichteten Vermittlung. Im Rahmen des Projektes »Spielclub Oranienstraße 25« lesen Claudia Hummel und Paula-Marie Kanefendt aus »Kunst+Unterricht« und laden zu einem Gespräch über diese fast vergessenen Dokumente ein.
Samstag, 30. November 2019, 14:00-17:00 - Teil 1
und 11. Januar 2020, 14:00-17:00 - Teil 2
Workshop (DE)
»Fanzine Werkstatt« mit Zsófia Puszt und Marcos García Pérez
Der Ausgangspunkt für diesen Workshop sind die Spielklub-Magazine und die Comic-Hefte mit dem Titel »Hau zu Keule«, die während und nach der Spielklubzeit und den daraus resultierenden 10-tägigen ›Festen‹ in den 1970ern erschienen sind. Kinder und Erwachsene schrieben damals Berichte, zeichneten Comics und publizierten Flugblätter aus dem Spiel. Hinzu kamen Reportagen über die damalige Realität der Kinder.
Die Fanzine-Werkstatt wird während der Spielclubzeit an zwei verschiedenen Tagen stattfinden. An jedem Tag wird jeweils eine Ausgabe gestaltet. Welche Situationen habt ihr im Spielclub erlebt? Was ist im Laufe des Spieltags geschehen? Wie könnt ihr das mittels Zeichnung, Druck, Collagen, Fotos und Texten erzählen?
Dieser Workshop richtet sich an Kinder, Jugendliche, Eltern, Lehrer_innen sowie Nachbar_innen aus der Oranienstraße, die einen Spieltag im »Spielclub Oranienstraße 25« erlebt haben.
b>Dienstag, 3. Dezember 2019, 19:00
Filmvortrag und Gespräch (DE)
»Stadtkinder – Stadt der Kinder« mit Florian Wüst
Florian Wüst führt durch Darstellungen von Kindern in städtebaulichen Informations- und Dokumentarfilmen der 1950- und 60er-Jahre. Vom ›Gestern‹ der Gründerzeit bis zum ›Morgen‹ der Nachkriegsmoderne.
Samstag, 7. Dezember 2019, 15:00
Führung durch die Ausstellung (DE)
mit Mitgliedern der AG Spielclub
Dienstag, 10. Dezember 2019, 18:00
Workshop (DE)
»Rethinking Vermittlung – Vergangenheit / Gegenwarten / Zukünfte« mit Paula-Marie Kanefendt
Der Workshop richtet sich an Personen, die in der Vermittlung arbeiten.
Seit ihrer Gründung besteht in der nGbK großes Interesse und Engagement, Fragen der Vermittlung in theoretischen Auseinandersetzungen und praktisch-experimentellen Erprobungen intensiv nachzugehen. So finden sich im Archiv der nGbK zahlreiche für ihre Zeit neuartige und ambitionierte Ansätze und Konzepte von dezidiert politisch-gesellschaftsverändernden sowie an zeitgenössischer Kunst orientierten Vermittlungen – der »Spielklub« stellt davon ein eindrucksvolles Beispiel dar. Weiterhin haben sich in den Dokumenten intensive Diskussionen und teils sehr kontroverse Auseinandersetzungen rund um die Positionierungen von Vermittlung in Bezug zu kuratorischem und künstlerischem Arbeiten in der nGbK eingeschrieben. In diesem geschlossenen Workshop wird ein Raum eröffnet, um über Vergangenheit, Gegenwarten und Zukünfte von Vermittlung zu sprechen. Dabei dienen ausgewählte Dokumente aus dem nGbK-Archiv als Anlass und Impuls.
Samstag, 14. Dezember 2019 und 11. Januar 2020, 10:30 – 13:30
Workshop (DE)
»Vermittlung für Menschen mit Beeinträchtigung« mit Marieta Campos Gisbert
Eine Führung durch die Ausstellung des historischen Spielklubs dient als Einführung in das Spielfeld. Anschließend wird gemeinsam das Spielclub-Rollenspiel erkundet, das aktuelle Fragen von Stadtentwicklung verhandelt.
Samstag, 11. Januar 2020, 14:30
Tour durch die Ausstellung zum historischen ›Spielklub‹ (DE)
mit Claudia Hummel
Diese Tour lädt neben allen Interessierten auch die Eltern ein, deren Kinder in der parallel stattfindenden Fotoakademie teilnehmen.
Mittwoch, 8. Januar 2020, 10:00-13:00
Vorstellung der Seminarinhalte (DE)
Veranstaltungsraum, 1. OG
Mittwoch – Samstag, 15.-18. Januar 2020, 10:00 – 17:00
Öffentliches Seminar (DE)
Ausstellungsraum und Veranstaltungsraum, 1. OG
»Wiederaufführung als künstlerische Methode der Re-Lektüre künstlerisch-edukativer Geschichte« mit Claudia Hummel, Heather Purcell und Moritz Scheuermann
Der »Spielclub Oranienstraße 25« stellt eine Wiederaufführung des Projektes »Spielklub Kulmer Straße« aus den Jahren 1970/71 dar. Obwohl dieses Vorbildprojekt umfangreich dokumentiert wurde, war es in der Fachgeschichte der künstlerisch-edukativen Arbeit bislang kaum bekannt. Die Geschichte dieses Feldes, das sowohl Kunstvermittlung als auch Kulturelle Bildung umfasst, findet erst seit wenigen Jahren wieder Beachtung. Was nicht dokumentiert wurde, ist im Erfahrungswissen der einst beteiligten Menschen verschwunden. Zeitgenössische Akteur_innen in diesem Feld haben es dementsprechend schwer, ihre Arbeitsweisen in fachgeschichtlichen Kontexten zu referenzieren.
Was wird durch eine Wiederaufführung erfahrbar? Welche Übersetzungen müssen stattfinden, damit eine alte Versuchsanordnung heute noch, bzw. wieder, zu verstehen ist?
Das öffentliche Seminar richtet sich an Künstler_innen, Pädagog_innen, Vermittler_innen und Studierende im Feld der künstlerisch-edukativen Arbeit. Ziel ist eine multiperspektivische Reflexion des Projektes: Handelnde Erprobungen, gemeinsame Gespräche und eine Übersetzung der gemachten Erfahrungen in künstlerische Formen. Am Ende des Seminars ist eine öffentliche Begegnung der Spielklubkünstler_innen von 1970/71 und jenen von 2019/20 geplant.
Samstag, 18. Januar 2020, 15:00-17:00
Tour und Gespräch (DE)
»Wiedersehen mit der eigenen Arbeit« mit »Spielklub Kulmer Straße« Künstler_innen (1970/71): Klaus Böllhoff, Gernot Bubenik, Peter Möbius, Siybyill Möbius, Dietmar Roberg, Ann-Kathrin Scharwächter; AG Spielclub Mitgliedern und »Spielclub Oranienstraße 25« Spielleiter_innen
Am vorletzten Tag des Projektes werden die Künstler_innen des »Spielklubs Kulmer Straße« und Protagonist_innen der AG Spielumwelt von 1970/71 eingeladen, die Ergebnisse der Wiederaufführung kennenzulernen. Ein gemeinsamer Rundgang durch die Spielstraße mündet in eine Reihe parallel stattfindender öffentlicher Gespräche zwischen den beteiligten Künstler_innen beider Generationen. Es wird über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Spielclubs 1970/71 und 2019/20 gesprochen sowie über gesellschaftliche Strukturen, die Kindheit, die Funktionen von Künstler_innen in der Gesellschaft sowie über Kapitalismuskritik damals und heute.
Sonntag, 19. Januar 2020, 14:00
Führung von Kindern für Kinder und Erwachsene (DE)
»Unser Spielclub«
Sonntag, 19. Januar 2020, 15:00-17:00
Das FEST (DE)
Die Kinder des Kulmer Kiezes nannten den damaligen Spielklub das ›Fest‹. Als Feste wurden auch die beiden 10-tägigen Spielklub-Inszenierungen im Frühsommer 1970 im Märkischen Viertel und im Herbst 1970 auf dem Dennewitzplatz am Bülowbogen in Schöneberg benannt. Torte essen für Auserwählte wurde damals als provokanter Spielzug inszeniert. Auch der »Spielclub Oranienstraße 25« endet mit einem Fest für Kinder. Ein letztes Mal wird der Spielclub bespielt. Eine Torte wird es ebenfalls geben – mal sehen, ob sie dieses Mal für alle reicht.
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