Tools to build and to care

1. Januar–31. Dezember 2022

Vermittlung
Stipendium
Veranstaltungsreihe

Ort(e):
nGbK, Oranienstraße 25, 10999 Berlin
station urbaner kulturen, Auerbacher Ring 41, 12619 Berlin

Stipendiat_innen

Jelena Fužinato

Das Vermittlungsstipendium wird von der nGbK seit 2010 jährlich ausgeschrieben. Die Ausschreibung richtet sich an Einzelpersonen oder Teams von maximal zwei Personen, die im Bereich der Kunst- und Kulturvermittlung sowie in der Bildungsarbeit tätig sind und die experimentelle und prozesshafte Verfahren und Formate der künstlerischen Vermittlung umsetzen möchten. Die institutionelle Anbindung an die nGbK bietet den Stipendiat_innen die Möglichkeit, ein Vermittlungsformat umzusetzen, in dessen Rahmen die eigene Praxis erprobt, variiert oder ggf. neu ausgerichtet werden kann.

Zwei Hauptthemen stehen für Jelena Fužinato im Rahmen des Vermittlungsstipendiums 2022 im Zentrum: Infrastruktur und Care-Arbeit. In der Workshopreihe werden mit verschiedenen Berufstätigen aus diesen Bereichen neue Vermittlungsformate entwickelt. Die Idee der ko-kreativen Vermittlungsform, in der die Mitwirkenden die Ziele bestimmen und die Form selbst gestalten, ist dabei der Leitfaden für die Entscheidungsprozesse bei der Zusammenarbeit mit den Gruppen. Eine wichtige Frage ist daher: Wie verhält sich die Kunst-, Kultur- und Vermittlungsarbeit zu den Personen, die am Prozess beteiligt sind?

Um über die Infrastruktur der Stadt zu sprechen, wendet sich die Stipendiatin an die ‘unsichtbare Arbeitskraft’: 50.000 Bauarbeiter_innen aus dem Westbalkan arbeiten auf deutschen Baustellen. Darunter eine große Anzahl von illegalen und nicht-dokumentierten Migrant_innen. Sie sind eingeladen an beweglichen Strukturen (Tools) zu arbeiten, in denen sie ihr Wissen im Bauwesen einbringen können, ebenso wie die Erfahrungen der Menschen, ohne dessen Arbeit es den Finanzkapital- und den Immobilienmarkt in der Stadt nicht gäbe. Diese Objekte sollen dann im öffentlichen Raum stehen, um von allen Teilnehmer_innen im weiteren Vermittlungsprozess genutzt werden zu können. ‘Care’ ist Grundlage vieler Konzeptionen in der aktuellen Kunstpraxis, daher gehören der zweiten eingeladenen Gruppe Pfleger_innen an. Auch sie sind zum Arbeiten aus dem Ausland nach Deutschland eingewandert. Als Expert_innen für Care-Arbeit können sie aufzeigen, was dieses Thema aus ihrer eigenen, meist prekären, Perspektive bedeutet.

Jelena Fužinato ist freischaffende Künstlerin und Kunstvermittlerin. Sie arbeitet in den Medien Zeichnung und Installation, um autoritäre Beziehungen innerhalb von Institutionen wie Familie, Schule, Museum und Staat zu untersuchen. Sie studierte Malerei an der Akademie der Künste in Banja Luka (Bosnien und Herzegowina) und absolvierte ihren Master in Malerei an der Universität der Künste Belgrad (Serbien); sie hat an der Aalto University Helsinki, (Finnland) Curating, Managing and Mediating Art studiert und schloss 2015 das postgraduale Studium an der Universität der Künste am Institut für Kunst im Kontext ab. Ihr Fokus liegt auf künstlerischer Arbeit mit gesellschaftlichen Gruppen und künstlerischer Arbeit in kulturellen Institutionen. Es folgte 2017/18 eine Qualifizierung mit Schwerpunkt auf diskriminierungskritische Bildungsarbeit an der KontextSchule. Sie arbeitete als Kunstvermittlerin und Gastdozentin in und außerhalb unterschiedlichen Kunst-, Kultur und Bildungsinstitutionen.

Termine:

26.–30. Juni 2022
station urbaner kulturen/nGbK Hellersdorf
Workshop #1 – Ein Brunnen in Hellersdorf

Donnerstag, 30. Juni, 19 Uhr (de)
Einweihung des 1. Teils von insgesamt drei Workshops mit Gespräch

23.–28. August 2022 (de/en)
Boulevard Kastanienallee, Nähe station urbaner kulturen/nGbK Hellersdorf
Workshop #2 – Care (Geschlossener Workshop)

Was ist Pflegearbeit? Wer verrichtet sie? Wird sie gerecht bezahlt? Wer braucht diese Art von Arbeit am meisten? Dies waren einige der ersten Fragen, die in dem Workshop gestellt wurden. Ziel war es, Care-Arbeit als Praxis zu verstehen, anstatt weitere erkenntnistheoretische Bedeutungen für den Begriff zu entwickeln. Die Absicht war, Care-Arbeit außerhalb eines akademischen, kuratorischen oder institutionellen Rahmens zu diskutieren und sie stattdessen als praktische Arbeit zu sehen, die „klebrig, nicht-linear, versprengt und dauerhaft“ ist (wie Bettina Knaup es in Curating as Sticky Care ausdrückt) und die täglich vor Ort mit Pluralität und Intersektionalität umgeht.

Pflegekräfte, vor allem Frauen aus der Balkanregion, wurden eingeladen, ihr Wissen über Pflegearbeit als Beruf zu teilen. Der Workshop basierte auf einem mündlichen Erfahrungsaustausch und wurde teilweise in Form von unstrukturierten Interviews aufgezeichnet. Neben dem Erfahrungsaustausch war es Ziel des Workshops, die gesellschaftspolitische Entwicklung zu verstehen, die dazu führte, dass Pflegearbeit zu einem Beruf mit vielen Defiziten wurde.

Während des Workshops wurde die Rolle der Teilnehmer_innen als Pfleger_innen umgekehrt: Sie wurden nicht gebeten, zuzuhören, sondern sich aufgrund ihrer langjährigen Praxis in der Pflegearbeit zentral und kritisch einzubringen. Den Teilnehmer_innen wurde die Rolle sachkundiger Gäst_innen zugewiesen und sie wurden für ihr Fachwissen bezahlt. Sie nahmen Einfluss auf die Struktur des Workshops, das Tempo und den Zeitplan ihrer gemeinsamen Arbeit. Den Abschluss bildeten Einzelgespräche zwischen der nGbK-Vermittlungsstipendiatin Jelena Fužinato und den teilnehmenden Pflegekräften. Die vertauschten Rollen des Workshops ermöglichten es ihnen, ihre Geschichte in den Mittelpunkt zu stellen und so ein Verständnis für den langen Prozess zu schaffen, in dem sie zu Pflegekräften wurden und blieben.

Durch die Einzelsitzungen wurden die Verbindung und das Verständnis zwischen den teilnehmenden Pflegekräften vertrauter, und der Workshop wurde zu einem langfristigen Projekt, das sich durch Mundpropaganda weiterentwickelte. Auf diese Weise wuchs der Workshop über sein ursprüngliches Format hinaus und wurde zu einer fortlaufenden Untersuchung.

14.–18. September, 14–17 Uhr (de/en)
Boulevard Kastanienallee, Nähe station urbaner kulturen/nGbK Hellersdorf
Workshop #3 – Meet Me at the Fountain

Im dritten Workshop des diesjährigen Vermittlungsstipendiums ist die Öffentlichkeit eingeladen, ungezwungen zusammen zu kommen und den im Sommer 2022 gebauten Brunnen zu bemalen. Der Workshop kombiniert Typografie und Malerei und wird von Jelena Fužinato, Stipendiatin des nGbK-Vermittlungsstipendiums, geleitet.

Ausgangspunkt für diesen dritten und letzten Workshop ist das Wissen, das in den ersten beiden Workshops gesammelt wurde: WS#1 – Ein Brunnen in Hellersdorf zusammen mit den Bauarbeitern Karlo Nikolić, Mio Nikolić und Josip Miškić, und der WS#2 – Care zusammen mit den Krankenschwestern Brankica Gayer, Mirha Saković, Selma Hoffmann, Silvia Habekost und N.N., die in deutschen Krankenhäusern und Kliniken arbeiten. In den ersten beiden Workshops ging es darum, die Arbeitsabläufe bei Bau- und Pflegearbeiten aus einer angewandten Perspektive zu betrachten. Im dritten Workshop soll das gesammelte Wissen genutzt, vervielfältigt und in Form von textbasierter Malerei in den öffentlichen Raum eingeflossen lassen werden.

Samstag, 16. Dezember 2022, 19 Uhr (de/en)
nGbK-Veranstaltungsraum, 1. OG
Filmscreening und Diskussion “What was done?” von Jelena Fužinato

Die Vermittlungsstipendiatin Jelena Fužinato wird ein kurzes dokumentarisches Video vorstellen und zu einer Diskussion einladen, die sich mit Themen wie Mediation in der Kunst und Mediation als Kunstform befasst. Die Erkenntnisse und Einsichten basieren auf drei Workshops, die im Rahmen ihres Stipendiums im Jahr 2022 an der nGbK stattfanden.

In den drei Workshops ging es 2022 um zwei zentrale Themen: Infrastruktur und Care-Arbeit. In den Workshops wurden Fachleute aus der Bau- und Pflegearbeit eingeladen, um auf der Grundlage ihrer praktischen Erfahrungen in ihren jeweiligen Bereichen Vermittlungsformate mit zu entwickeln. Der dritte Workshop war öffentlich und richtete sich vor allem an Kinder und Passant_innen aus Hellersdorf.

Die Workshops zielten darauf ab, die Möglichkeit der Vermittlung als organisches Netzwerk von Fachkräften zu erkunden, die bereit sind, miteinander zu kommunizieren und ihre Erkenntnisse zu teilen, wobei die Grenzen, die Zeit und die Bereitschaft der Teilnehmer_innen, sich und ihre Arbeit zu zeigen, gewahrt blieben.

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