Hosen haben Röcke an. Künstlerinnengruppe Erfurt 1984-1994

27. November 2021–30. Januar 2022

Ausstellung
Veranstaltungsreihe

Ort(e):
nGbK, Oranienstraße 25, 10999 Berlin

Künstler_innen

Monika Andres, Claudia Morca Bogenhardt, Tely Büchner, Elke Carl, Monique Förster, Gabriele Göbel, Ina Heyner, Angelika Hummel, Verena Kyselka, Bettina Neumann, Ingrid Plöttner, Marlies Schmidt, Gabriele Stötzer, Harriet Wollert

Arbeitsgruppe

Susanne Altmann, Kata Krasznahorkai, Christin Müller, Franziska Schmidt, Sonia Voss

Erstmals und umfassend präsentiert die Ausstellung mit dem Titel »Hosen haben Röcke an« originale Materialien und Kostüme der Künstlerinnengruppe Erfurt aus den Archiven der Akteurinnen.
1984 von Gabriele Stötzer gegründet, lebte die Künstlerinnengruppe zehn Jahre lang einen radikalen künstlerischen Gegenentwurf zum DDR-Alltag aus. Nach Außen traten sie entschlossen als subversives Frauenkollektiv auf, das sich mit den Mitteln der Kunst Freiräume erschuf, die es sonst innerhalb der ostdeutschen Verhältnisse kaum gab. Ihre Super-8-Filme, Fotografien, Performances, Mode-Objekt-Shows, Manifeste und Soundexperimente zelebrieren weibliche Selbstermächtigung, Gendergerechtigkeit, künstlerische Freiheit als universelles Menschenrecht und radikale Gesellschaftskritik. Bis heute bleibt die solidarische, kreative und politisch angstfreie künstlerische Umsetzung ihrer Ideen, Ängste und Wünsche hochaktuell.

Bezeichnend für die Künstlerinnen war ihre Weigerung, die DDR zu verlassen – obwohl damals viele Akteur_innen aus dem Kulturbereich aufgrund der politischen Repression in die Bundesrepublik ausreisten. Doch fand die Gruppe gerade im ›Genius Loci‹ der Stadt Erfurt, speziell in deren mittelalterlicher Geschichte, ihre kreativen und spirituellen Impulse. Zudem ermöglichte die gegenkulturelle Infrastruktur der evangelischen Kirche Thüringens neben Punks oder Friedensaktivist_innen auch der Künstlerinnengruppe weitere Entfaltungsräume. In diesem Umfeld kam den Frauen eine Pionier_innenrolle zu, in bewusstem Bezug auf weibliche Identität, Körperlichkeit und genderbasierte Systemkritik.
Diese Themen spiegeln sich besonders in fünf experimentellen Super-8-Filmen wider, die zugleich die Grundstruktur der Ausstellung bilden. In den ab 1986 entstandenen Filmen und späteren Live-Performances mit literarischen und musikalischen Elementen stehen selbstgeschaffene und provokante Kostüme als Alter Egos der Künstlerinnen im Zentrum. Zahlreiche Modelle werden in der Ausstellung präsentiert, erstmals zusammen mit Objekten, Fotos, Drucksachen und Tonaufnahmen aus den bislang unerschlossenen persönlichen Beständen der Künstlerinnen.

Die Künstlerinnengruppe Erfurt blieb bis 1994 mit personellen Wechseln aktiv. Am 4. Dezember 1989, in einem historischen Akt des Aufbegehrens, initiierten fünf Frauen, drei davon Protagonistinnen der Künstlerinnengruppe, die erste Stasibesetzung der DDR. Derlei kunstüberschreitende Strategien und die erfolgreiche Gründung des bis heute funktionierenden, selbstverwalteten Kunsthauses Erfurt markieren die Einzigartigkeit dieser Künstlerinnengruppe.