Künstler_innenstipendium Istanbul-Berlin 2022

1. Januar–31. Dezember 2022

Stipendium

Ort(e):
Raum 139, Kunstquartier Bethanien, Mariannenplatz 2, 10997 Berlin

Künstler_innen

İz Öztat, İrem Sözen

Seit 2018 werden jährlich zwei Stipendien an in Istanbul lebende Künstler_innen vergeben. Das bestehende Istanbul-Stipendium der Senatsverwaltung für Kultur und Europa wurde zu einem echten Austausch erweitert, indem jährlich zwei Künstler_innen aus Istanbul von einer Jury ausgewählt und nach Berlin entsandt werden und umgekehrt. Damit sollen die Beziehungen zwischen den Partnerstädten Berlin und Istanbul und die Verbindung zur türkischen Kunstszene weiter gestärkt werden. Dies folgt der Überzeugung, dass internationaler Austausch und unmittelbare Kommunikation kulturelle Vielfalt als Bereicherung erlebbar werden lassen und zum Perspektivenwechsel einladen.

  1. Januar–15. Juni 2022
    İrem Sözen

İrem Sözen arbeitet mit eigenen und archivalischen fotografischen Bildern. Fotografie ist für sie eine Sprache, die der Literatur nahe kommt - betrachtet man ihr Potenzial, Bedeutung zu vermitteln und ihre Vielfalt. Sözen setzt Fotografien ähnlich wie Wörter und Sätze zu einem Text zusammen. Dabei dienen ihr die Bilder als Fragmente, die sie zu einer einzigen Erzählung verwebt, zu einem Gefühl, das aus Erfahrungen verschiedener Zeiten und Orte entsteht. Seit Langem setzt sie sich auch mit Bildern in Bezug auf die Sinne und Sprache auseinander, wobei die scheinbar stillen Welten der Tiere und Pflanzen für sie sehr anziehend sind, weil sie Bedeutung und Sinn erzeugen können, ohne Worte zu benutzen. Ihre Bildessays veröffentlicht sie in Buchform, meist im Rahmen unabhängiger und kollektiver Publikationsvorhaben.
In Berlin wird Sözen ihr 2016 begonnenes Projekt mit Fotografien aus dem Botanischen Garten und dem Berliner Zoo fortsetzen, in dem sie sich auf die Beziehungen zwischen Menschen und Nicht-Menschen, die Geschichte dieser Beziehungen und die nonverbale Bedeutungsgebung konzentriert. Wie nehmen wir andere Spezies wahr? Wie setzen wir uns zu ihnen und zu ihren subjektiven phänomenalen Welten, die nie ganz verstanden werden können, in Beziehung?

İrem Sözen wurde 1984 in Istanbul geboren. Sie studierte Ingenieurwesen in Istanbul und Mailand. Seit 2005 beschäftigt sie sich mit Fotografie und der Kunst des Buchbindens. Ihre Arbeiten zeigte sie in zahlreichen Ausstellungen und auf Foto-Festivals, darunter ihre Einzelausstellung »turnaround« im Operation Room Gallery, Istanbul (2015) sowie Gruppenausstellungen wie »Personal Mythologies«, Cork Photo Festival, Irland (2015), »Animals’ Side«, Mixer Gallery, Istanbul (2017), »L’oeil et la nuit«, ICI: Institut des cultures d’Islam, Paris (2019), »The Female Side of The Moon«, Galerie Z22, Berlin (2021) und »Sound is the silence of the image«, Fabrikraum, Wien (2021).
iremsozen.com

  1. Juli –15. Dezember 2022
    İz Öztat

In ihrer künstlerischen Arbeit setzt sich İz Öztat mit marginalisierten Aspekten der Vergangenheit auseinander, die bis heute verheimlicht und geleugnet werden, und kontrastiert offizielle Erzählungen mit den Möglichkeiten der Fiktion. Öztat fabriziert die (Auto-)Biografie von Zişan (1894-1970), der ihr als historische Figur, als Geist und als Alter Ego erscheint. Sie nimmt sich Zişans Archiv an und interpretiert es durch ihre eigene Praxis, um eine komplexe Zeitlichkeit vorzuschlagen, in der eine unterdrückte Vergangenheit eine zunehmend autoritäre Gegenwart heimsucht. In Berlin wird Öztat den (auto-) biografischen Künstlerroman Every Name in History is I and I is Other fortsetzen und sich dabei auf das Kapitel Dead Reckoning to Her Folds konzentrieren, in dem Skulpturen des weiblichen Körpers zu Objekten queeren Begehrens und kollektiver Aktion in einer Erzählung werden, die Geschichten des Widerstands miteinander verwebt.

Iz Öztat (*1981) studierte Bildende Kunst am Oberlin College in Ohio, USA, und an der Sabancı-Universität in Istanbul. Ihre Werke wurden in zahlreichen lokalen und internationalen Ausstellungen gezeigt, darunter ihre Einzelausstellung Suspended, Pi Artworks Istanbul im Jahr 2019, sowie in den Gruppenausstellungen Rounded by Sleep, Arter, Istanbul (2022); Tamawuj, Sharjah Biennale 13 (2017); Land without Land, Heidelberger Kunstverein (2016) und Salt Water: A Theory on Thought Forms, 14. Istanbul Biennale (2015). Zişans (geb. 1894 - gest. 1970) Schicksal ist von Anfang an von einer unklaren Zugehörigkeit geprägt. Geboren aus einer Affäre zwischen Nezihe Hanım, einer Lehrerin aus einer türkischen Oberschichtfamilie, und Dikran Bey, einem armenischen Fotografen, floh sie 1915 mit ihrem Vater aus Istanbul, um dem Völkermord an den Armenier_innen zu entgehen. Danach begab sie sich auf eine lebenslange Reise durch eine riesige Geografie und die Tiefen des 20. Jahrhunderts als getarnte Heldin, die unbemerkt in den Kanon der avantgardistischen Kunst eingedrungen ist. Sie gab sich nicht als Künstlerin zu erkennen und verbreitete ihr Werk zeitlebens unter Pseudonymen. Ihr imaginäres Archiv enthält Texte, Skizzen, Fotografien, Fotocollagen, Objekte und Ephemera.

Termine:

Donnerstag, 1. Dezember 2022, 17 Uhr (en)
Kunstraum Kreuzberg/Bethanien, Mariannenplatz 2, 10997 Berlin (Studio 139)
“Daredevil” von İz Öztat (+ Gespräch mit Susanne Weiß)

Die Istanbuler Künstlerin İz Öztat lebt und arbeitet seit dem 15. Juli 2022 als Stipendiatin des Berliner Senats und der nGbK im Kunstquartier Bethanien. In dieser Zeit hat sie als Reaktion auf Erscheinungen im Atelierraum an einer ortsspezifischen Installation mit dem Titel Daredevil gearbeitet, die zudem von einer Kurzgeschichte begleitet wird. In einer Auseinandersetzung mit der Höhe des Atelierraums entstanden erste Skizzen, die sich mit Vertikalität und Fallen beschäftigen.

In dem Gespräch zwischen İz Öztat und Susanne Weiß wird es in diesem Zusammenhang auch um das hauntologische Verständnis von Geschichte gehen, das die Künstlerin bereits in früheren Arbeiten artikuliert hat. Dabei versuchen Öztat und Weiß, durchgehende Fäden in Öztats Praxis zu entwirren, die eine Verbindung herstellen zwischen dem Verbot zu trauern und dem Begehren, dem Schmerz und dem Vergnügen.

Susanne Weiß ist Kuratorin und Kunstvermittlerin und lebt in Berlin, wo sie Museologie studiert hat. Ihr kuratorischer Ansatz ist geprägt von der Überzeugung, dass eine (Kunst-) Ausstellung fesselnd und kontextvermittelnd sein muss. Daher beziehen die von ihr initiierten Projekte und Formate eine Vielstimmigkeit aus verschiedenen Disziplinen und Richtungen kritisch mit ein. Sie hat in und zwischen London, Oxford, Jerusalem, Wien, Dresden, Sharjah, Heidelberg, Istanbul, Halle und Berlin gelernt und gearbeitet. Für weitere Informationen siehe auch mukimaki.de.

Das Stipendium der Senatsverwaltung für Kultur und Europa wird im Rahmen einer Kooperation zwischen dem Kunstverein neue Gesellschaft für bildende Kunst (nGbK) und dem Kunstraum Kreuzberg/Bethanien in Berlin sowie dem DEPO in Istanbul ermöglicht.

Finanziert von