1. Mai–13. Juni 2004
Eröffnung:
30. April 2004
Künstler_innen
Maria Thereza Alves, Heike Bollig, Cao Fei/Ou Ning, Asta Gröting, Jeanne van Heeswijk, Petra Maitz, Phill Niblock, Peter Piller, Gunter Reski, Cornelia Schmidt-Bleek, Michaela Schweiger, Allan Sekula, Inga Svala Thorsdottir, Rosemarie Trockel, Moira Zoitl
Arbeitsgruppe
Franziska Lesák, Petra Reichensperger, Manuela Schöpp, Annette Wellhausen, Kalli Wellhausen
1.5.2004 “Luftballon. Demo. Strassenfest” - Aktion von Heike Bollig
Aus der Publikation:
‘Ich weiß nie, arbeite ich gerade oder nicht. Und was in mir arbeitet, das kann ich meistens nur erahnen’, lässt Rene Pollesch einen seiner Darsteller auf der Bühne sagen. Das Szenario umreißt eine inzwischen alltägliche Situation, fernab der Trennung zwischen Arbeit und Freizeit, zwischen Wohn- und Arbeitsort, wie sie für die fordistische Produktion charakteristisch war. Galt das von der Boheme getragene Ideal selbstbestimmter und nichtentfremdeter Arbeit, bei dem Leben und Arbeit in gewissem Sinne in eins fällt, lange Zeit als Gegenentwurf zum kapitalistischen Prinzip der Arbeitsteilung, wird es nun als Norm propagiert. Die veränderten Arbeitsrealitäten betreffen inzwischen mittel- oder unmittelbar jeden und evozieren je nach Kontext unterschiedliche Haltungen.
Das unbestimmte Gefühl von Polleschs Protagonisten verweist auf die Spannung der verschiedenen Formen von Tätigkeiten, die in der Ausstellung und im Buch thematisiert werden sollen. Mit dem Begriff Tätig Sein wird etwas jenseits des Gegensatzes zwischen Arbeit und Freizeit eingeführt, das nicht nur das Nebeneinander, sondern die Äquivalenz verschiedener Tätigkeiten betont. Die Vernetzung der Tätigkeiten innerhalb der Gesellschaft eröffnet die potenzielle Bandbreite des Projekts. Das Tätig Sein ebenso wie die Frage »Was tun?« loten die Künstler der Ausstellung unterschiedlich aus.
Pressestimmen
Zitty, 13.05.2004 (Nr. 11/4) (o.A.)
“Nach fast um$onst zur Ökonomisierung folgt jetzt Tätig Sein mit künstlerischen Reflexionen zur Trennung von Arbeit und Freizeit, die mit zunehmender Zahl von Freiberuflern zu verschwimmen scheint.”
taz, 13.05.2004 (Katrin Bettina Müller)
“Lange drückte der romantische Begriff der Bohème den Wunsch nach Unterscheidung zwischen der Kunstproduktion und der kapitalistischen Arbeitswelt aus. Die Kunst war das andere, den Verwertungs- und Effektivitätskriterien der entfremdeten Arbeit Entzogene. Symbolischer Mehrwert statt Geld auf dem Konto. Dass dieser Mythos der Wirklichkeit nicht entsprach, wussten die Künstler zwar schon lange. Dass dieses schöngefärbte Idealbild autonomer künstlerischer Selbstentfaltung aber eines Tages dazu taugen werde, eine neoliberale Arbeitsmoral zu propagieren, die mehr und mehr Arbeitnehmerrechte und soziale Sicherheiten abbaut, war bis Ende der Achtzigerjahre kaum vorhersehbar. Wie darüber dann doch allmählich ein Bewusstsein entstand, spiegelt sich in vielen Beiträgen der Ausstellung und den Essays des Katalogs.”
Kunstforum International, Juli/August 04 (Bd. 171)(Peter Funken)
“[…] diese Ausstellung […] [denkt] nur en passant über die problematische Situation der Kategorie Arbeit [nach], um so mehr aber über die Netz- und Knotenpunkte, Ein- und Aussetzer von selbst verordneter und verorteter Arbeitstätigkeit - und wer hätte dazu mehr Zeit und Möglichkeiten als KünstlerInnen- und vielleicht Arbeitslose? […] Mit ihrem konzeptionellen Ansatz - einen Mix aus Subjektivität, Fiktion und Realismus - bestätigt ‘Tätig Sein’ den Eindruck, dass wir derzeit ein neues, diesmal elektronisches Biedermeier erleben, eine Zeit beobachtender Schärfe mit ironischen Rückzugsgefechten und einem irritierten, manchmal traurigen Blick auf die Unmöglichkeit der Gegenwart und die brutale Verunmöglichung von Zukunft.”