Urlaub nach dem Fall

Transformationen sozialistischer Ferienarchitekturen an der kroatischen Adria

10. August–1. September 2013
Eröffnung: 9. August 2013

Ausstellung

Ort(e):
NGBK, Oranienstraße 25

Teilnehmer_innen

Daniele Ansidei, Arhitektura, CCN-images, Covjek i prostor, Marko Dabrovic, 3LHD, Cemal Emden, Damir Fabijanic, Fotoklub Split, Michael Hieslmair, Hrvatski muzej arhitekture, Ryan Jeffery, Jana Jocif, Miran Kambic, Boris Magaš, Maistra, Norbert Mappes-Niediek, Branimir Medic & Pero Puljiz – de Architekten Cie., Maroje Mrduljaš, Boris Podrecca, Kerstin Stramer, Tabanlıoglu Architects, Wolfgang Thaler, Touristkomerc, Urbanisticki Institut Hrvatske, Valamar, Cat Vinton

Arbeitsgruppe Ausstellungsübernahmen

Elke Falat, Naomi Hennig, Katharina Hohmann, Katharina (Katja) Jedermann, Ulrike Jordan, Antje Weitzel

Kurator_innen

Michael Zinganel

Übernahme vom Haus der Architektur Graz (2012)

Weltweit galt und gilt die Tourismusindustrie als Wachstumsmotor und Hoffnungsmarkt. Auch in Kroatien stellt sie heute mit einem Viertel des BIP den bedeutendsten Wirtschaftszweig des Landes dar. Sie baut dabei jedoch auf eine Infrastruktur, die bereits während des sozialistischen Modernisierungsschubes der 1960er und 70er-Jahre entwickelt wurde: zu einer Zeit, da raumplanerischen Instrumenten ein hoher Wert beigemessen wurde und explizite Modernität in der Architektur und Kunst zum Corporate Design der Nation zählten.
Die Ausstellung bietet eine Genealogie der großmaßstäblichen Ferienarchitekturen an der Adria-Küste einschließlich der physischen und ökonomischen Transformationen, denen diese Anlagen nach dem Zerfall Jugoslawiens, der Aufgabe des Modells der Selbstverwaltung und der Privatisierung der Betriebe unterzogen wurden. Dabei handelte es sich um Projekte von durchaus bemerkenswerter Qualität, die sich heute – je nach ihrem Standort und dem Engagement der neuen Besitzer – als melancholische Ruinen, bescheidene Renovierungen oder völlig neuartige Überbauungen darstellen.

Die Ausstellung beginnt mit dem historischen Aufruf Titos “Come and See the Truth”, mit dem dieser die großen Tourismusanlagen unter sozialistischer Selbstverwaltung als transnationale Begegnungsstätten bewarb, in denen der Erfolg des dritten Weges Jugoslawiens nach innen wie nach außen, nach Ost und West, kommuniziert werden sollte. Ein zentrales ordnendes Gestaltungselement der Ausstellung bildet eine 15 Meter lange zeitliche Entwicklungslinie, die dem Graphen der Nächtigungszahlen von Tourist_innen in Kroatien folgt. Dieser stieg seit 1955 kontinuierlich an, knickte erstmals 1988 und fiel mit Kriegsbeginn 1991 auf einen vorübergehenden Tiefststand.
Die Timeline endet mit dem aktuellen Slogan der kroatischen Tourismuswerbung “The Mediterranean As It Once Was”, neben dem zwei riesige Poster eine Ruine mit nationalistischem Graffiti (“Wir kaufen kroatisch” und “Das Kroatische den Kroaten”) und das Interieur des neu eröffneten Designhotels Lone zeigen, das sich optimistisch als Schaufenster für die Creative Industries Kroatiens vermarktet.
Ein zweites strukturierendes Element bildet eine Reihe von Hinweistafeln und unterschiedlich gruppierten und verdichteten kubischen Vitrinen, in denen Case Studies vorgestellt werden, anhand derer jeweils beispielhaft wichtige Themen verhandelt werden: Sozialtourismus, die übergeordnete Raumplanung, die Vielfalt der Typologien, Interieur, Kunst und Design, Serviced Apartments in Zeiten von Rechtsunsicherheit und Wirtschaftskrise und die überraschend hohe Anzahl an leerstehenden Resort-Ruinen.
Dabei werden auf visueller Ebene ‚vordergründig’ Aspekte der Planungsgeschichte und der baulichen Transformationen illustriert – und parallel über Hörstationen von Nachrichtensprecher_innen gesprochen, die politisch-ökonomischen Hintergründe der Privatisierungsprozesse und ihre Nutznießer kommuniziert.
Kriegsbedingt trat dieser Privatisierungsprozess mit beträchtlicher Verzögerung ein – und traf nicht überall auf Begeisterung. Durch restriktive Bauvorschriften und mangelnde Rechtssicherheit wurde bislang ein Investitions- und Bauboom verhindert – ein Glücksfall für die Küstenlandschaft, wie manche meinen. Mit dem EU-Beitritt jedoch wird erwartet, dass der Widerstand gegenüber den Ambitionen von Investoren ein Ende finden wird.

Veranstaltungen:

Donnerstag 08 August 2013, 20.30 Uhr,
book launch
Pro qm, Almstadtstraße 48 – 50, 10119 Berlin

Im Jovis Verlag erscheint: ”Holidays After The Fall–Seaside Architecture and Urbanism in Bulgaria and Croatia“, Hrsg.: Elke Beyer, Anke Hagemann, Michael Zinganel, ISBN 978-3-86859-226-9

Freitag 09 August 2013, 19 Uhr,
Eröffnung

Sonntag 11 August 2013, 18 Uhr,
Kurator_innenführung

Samstag 24 August 2013, 18-20 Uhr,
Nachbarschaftstreffen
mit Kristina Leko, Kunstvermittlung nGbK

Nachbarschaftstreffen zum Thema Urlaubserinnerungen. Gespräche mit Personen verschiedener Hintergründe, die sich an eine Adria-Urlaub in ehemaligen Jugoslawien erinnern. Die Gespräche finden in deutscher/kroatischer/serbischer/bosnischer Sprache mit konsekutiver Übersetzung nach Bedarf statt.

Samstag 31 August 2013, 12-14h,
Nachbarschaftstreffen
mit Kristina Leko, Kunstvermittlung nGbK

Nachbarschaftstreffen zum Thema Urlaubserinnerungen. Gespräche mit Personen verschiedener Hintergründe, die sich an eine Adria-Urlaub in ehemaligen Jugoslawien erinnern. Die Gespräche finden in deutscher/kroatischer/serbischer/bosnischer Sprache mit konsekutiver Übersetzung nach Bedarf statt.

Sonntag 01 September 2013, 19.30 Uhr,
Diskussion
(Finissage)

mit Boris Buden und Michael Zinganel
Moderation: Doris Akrap

Ruinen des dritten Weges
Zwischen Selbstverwaltung und Privatisierung einer Urlaubslandschaft

Der “Dritte Weg” im ehemaligen Jugoslawiens produzierte an der Adriaküste eine vielfältige Ferienlandschaft, die der gesellschaftlichen Modernisierung, dem Nation Building und Nation Branding, ebenso aber dem Ausgleich der Handelsbilanz dienen sollte. In einem Mix aus staatlichen Direktiven, internationalen Kooperationen und sozialistischer Selbstverwaltung entstand hier ein mitunter widersprüchliches Paradies für spätmoderne Planer_innen, die sozialistische Arbeiterschaft und mittelständische Reisende aus Ost und West.
Am aktuellen Zustand der Flaggschiffe des Tourismus an der kroatischen Adria, an den wenigen Prachtbauten und den vielen Ruinen, zeigen sich ungelöste Probleme und Konfliktpotentiale: vom Erbe der Selbstverwaltung, des Krieges und des Zerfalls Jugoslawiens, des radikalen Protektionismus der Privatisierungsschübe, der Rechtsunsicherheit, und den eigenwilligen Widerständen und Hindernissen gegen internationale Investor_innen, die mit dem EU-Beitritt jedoch eine Ende finden könnten.

Sonntag 01 September 2013, 18 Uhr,
Kurator_innenführung