13. Oktober–18. November 1995
Eröffnung:
12. Oktober 1995
Künstler_innen
Arbeitsgruppe RealismusStudio
Valie Export, Christin Lahr, Maria Ocón, Frank Wagner, Ingrid Wagner-Kantuser
Aus der Pressemitteilung:
Die in Berlin lebende amerikanische Künstlerin Claudia Hart hat 1994/95 einen Zyklus von 32 kleinen Ölgemälden (40 x 30 cm) mit dem Titel ‘A Child’s Machiavelli’ geschaffen. Sie bezieht sich dabei direkt auf die Tradition der frühen satirischen Bilderfolgen zu politischen und sozialen Themen, wie sie William Hogarth oder Daniel Chodowiecki vertreten. Als Illustrationen dienen ihr klassische Kinderbuchfiguren. Der Bilderbogen wird ergänzt von großformatigen Farbfotografien und einer Musik- und Gesangsinstallation, dem ‘Baby Rap’.
Die Bilder parodieren und infantilisieren die Strukturen von Macht und Politik und verweisen auf die soziale und kulturelle Konstruktion des sogenannten ‘Bösen’. Claudia Hart hat die Kernthesen von Machiavellis ‘Il principe’ in eine einfache, leicht für Kinder zu lesende, Form von Handlungsanweisungen gebracht. Mit diesen, den Ratgebern für Managern ähnlichen Axiomen sozialer Interaktion, subvertiert die Künstlerin die Prinzipien nicht nur des allgemeinen sozialen Handelns, sondern speziell der Praxis des kommerziellen Kunstmarktes. Die vorgebliche Naivität ihrer Illustrationen, die oft vom Scheitern und von Mißgeschick geprägt sind, decken einerseits die Simplizität der Kommunikationsstrukturen auf, die seit der Renaissance und der Veräußerungsformen der niederländischen Genremalerei gepflegt und im 19. Jhd. reglementiert wurden, andererseits deuten sie die Schwierigkeit an, gegen dieses allgemein gültige Reglement anzugehen. Harts Verarbeitung von Appropriation, Elementen von Trivialkultur, Schrift, Maßregeln und dem Einsatz von Malerei als Illustration für ein minderjähriges Publikum, stellt eine gültige Auseinandersetzung mit der malerischen Praxis in der zeitgenössischen Kunst dar. Sie selbst prägte dafür den Begriff der ‘theoretischen Malerei’.
Die dazu ausgewählten Illustrationen reichen von ‘Pippi Langstrumpf’ oder ‘Barbar’ bis zu ‘Winnie-the-Pooh’ und dem ‘kleinen Prinzen’. Sie selbst fügt gelegentlich kleine Selbstportraits von sich ein, um sich zum einen als Opfer bösartiger Mächte oder als Täter zu stilisieren. Sie sieht in dieser Volte die Möglichkeit, die Machtverhältnisse zwischen Betrachter und Künstler, Subjekt und Objekt, sichtbar zu machen.
Die Photographien geben Impressionen der Beeindruckbarkeit eines jungen Publikums wieder. Der ‘Baby Rap’ besteht aus einer Collage von Tönen und Melodien von Kinderspielzeug, Videospielen und Comic-Soundtracks, gemischt mit dem Gesang von Claudia Hart mit verstellter ‘Baby’-Stimme. Das Musikstück entstand in Zusammenarbeit mit der französischen Rap-Band ‘Assassin’.
Die Literarizität des Ansatzes und die intime Kleinteiligkeit der Ausführung ließen uns als Ort der Ausstellung die Räumlichkeiten einer Buchhandlung auswählen. Mit der Ausstellung eröffnen wir auch das Terrain zu einem inhaltlichen Schwerpunkt des Programms des RealismusStudio 1996 - der Malerei.