Italienische Realisten 1945–1974

14. Oktober–15. Dezember 1974
Eröffnung: 13. Oktober 1974

Ausstellung
Publikation

Ort(e):
Haus am Mariannenplatz 2, Berlin

Künstler_innen

Paolo Baratella, Floriano Bodini, Dino Boschi, Rosanna Cavallini, Nino Crociani, Fernando Farulli, Gianfranco Ferroni, Franco Francese, Giuseppe Guerreschi, Renato Guttuso, Giacomo Manzù, Gianluigi Mattia, Gabriele Mucchi, Franco Mulas, Armando Pizzinato, Attilio Steffanoni, Angelo Titonel, Lorenzo Tornabuoni, Tino Vaglieri, Renzo Vespignani, Giuseppe Zigaina

Arbeitsgruppe

Rainer Civegna, Peter Hielscher, Lothar C. Poll, Dieter Ruckhaberle, Christiane Zieseke

in Zusammenarbeit mit dem Kunstamt Kreuzberg
Übernahme durch Badischer Kunstverein, Karlsruhe (März/April 1975)

Vorwort aus der Publikation:
Seit der Gründung der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst vor fünf Jahren gibt es in Berlin eine Institution, die sich zum Ziel gesetzt hat, das demokratische Erbe der Bildenden Kunst aufzuarbeiten und für die Gegenwart fruchtbar zu machen. Ausstellungen wie John Heartfield, Meunier, Pariser Comune, 1848 und Kollwitz und Daumier haben gezeigt, daß es in der Geschichte immer eine Kunst gegeben hat, die auf der Seite der Unterdrückten gegen Terror, Gewalt und ökonomische Ungerechtigkeit der grundsätzlichsten Art gestanden hat. Ist es für eine demokratische Gesellschaft, die den Fortschritt will, von entscheidender Bedeutung ihre besten Traditionen kennenzulernen, so ist es überaus nützlich zu wissen, was in verwandten gesellschaftlichen Verhältnissen mit anderen geschichtlichen Voraussetzungen in der Kulturarbeit geleistet wird. Der Italienische Realismus ist eine kulturelle Bewegung, die eine lange Tradition hat, im Widerstand des italienischen Volkes gegen den Faschismus sich entwickelt hat. Die Einheit von politischer und künstlerischer Auseinandersetzung ermöglicht dem heutigen Realismus in Italien ein hohes ästhetisches Niveau. Maßstäbe zu schaffen, wird eine Aufgabe dieser Ausstellung sein, die andere ist es, neue freundschaftliche Verbindungen zu hierzulande kaum bekannten Künstlern zu schaffen, die durch eine unzulängliche Kulturpolitik der offiziellen Institutionen ausserhalb unseres Bewusstseins standen. Bei uns hat die künstlerische Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit erst Mitte der 60er Jahre wieder begonnen. Die italienischen Künstler haben uns nicht nur die Tradition voraus, sondern auch eine breite Einbettung in die politischen und gewerkschaftlichen Institutionen. Die Weiterentwicklung der Realismusdiskussion unter neuen qualitativen Aspekten, die Überwindung der - nützlichen - Impulse der Studentenbewegung von denen gerade der Berliner Kritische Realismus geprägt ist, in Richtung auf eine gesellschaftliche Verankerung der Arbeit der Künstler wird auf Schwierigkeiten stossen.

Pressestimmen

Der Abend, 04.11.1974 (Peter Hans Göpfert),
“Eine Ausstellung, die man - nach Thema und Umfang - an einem zentraleren Ort vermuten könnte, wird ausdrücklich in einem Arbeiterbezirk gezeigt: die Neue Gesellschaft für bildende Kunst und das Kunsthaus Kreuzberg versprechen sich mit dieser Schau […] auch den Zulauf von Besuchern, die sonst mit Kunst wenig in Berührung kommen. Darüber hinaus leistet sie aber auch einen interessanten Beitrag zur Diskussion hiesiger Spielarten wirklichkeits-bezogener Kunst. Sie fordert zu Vergleichen mit den Arbeiten deutscher (speziell Berliner) Realisten heraus und relativiert ganz nebenbei die eigenen häuslichen Bemühungen der NGBK in ihrem ‘Realismus-Studio’.”

Hannoversche Allgemeine Zeitung, 16.10.1974 (Lisolette Müller)
“Die italienischen Realisten […] scheuen nicht, sich der Collagen- und Fotomontagen-Technik zu bedienen. Nicht der Stil ist der gemeinsame Nenner, sondern der Inhalt. Fast alle Arbeiten beschäftigen sich mit dem Klassenkampf aus kommunistischer Perspektive. […].
Auf den meist großformatigen Bildern sind Bauern mit Sicheln, Arbeiter mit Gewehren, Polizisten mit heruntergeklapptem Visier, knüppelschwingende, sich hinter Schutzschildern duckend, marschierende, rennende Demonstranten und vor allem Fahnen, rote Fahnen, zu sehen. Dumpfes Leid, Gefesselte, Gehängte, Schlagende, daneben Aggression.”

Tagesspiegel, 13.10.1974 (Heinz Ohff)
“Daß Italiens Künstler im allgemeinen, die Realisten im besonderen vielfach mit der KPI sympathisieren, steht […] außer Zweifel und wird durch die Ausstellung auch erhärtet. […] Im übrigen handelt es sich […] um die erste Ausstellung dieser Art im Ausland.
[…] Eine wichtige Ausstellung, zweifellos, im Positiven wie im Negativen - ganz gewiß aber kein Triumph des Realismus, eher das Gegenteil: nach so viel falschem Pathos sehnt man sich ein bisschen nach den großen italienischen Abstrakten, die […] so sehr viel mehr zur Weltmalerei beigetragen und […] auch KPI-Plakate entworfen haben”