Walter Reuter/Berlin – Madrid – Mexiko

60 Jahre Fotografie und Film 1930-1990

15. September–31. Oktober 1990
Eröffnung: 14. September 1990

Ausstellung
Publikation

Ort(e):
nGbK, Tempelhofer Ufer 22

Künstler_innen

Walter Reuter

Arbeitsgruppe Fotografie

Annemarie Ahrens, Dorothea Cremer, Diethart Kerbs, Stefanie Kretzscher, Michael Nungesser, Rosemarie Pfeil, Lothar Schuster, Ursula Tjaden

In Zusammenarbeit mit dem Museumspädagogischen Dienst Berlin

Aus der Pressemitteilung:
“Walter Reuter – hinter diesem Namen verbirgt sich ein abenteuerliches Schicksal auf drei Kontinenten, ein Lebenswerk als Fotograf und Filmemacher und mehr als ein halbes Jahrhundert unbekannter deutscher Geschichte in ihren weltweiten Auswirkungen.

Der Mann, der heute 84-jährig in Mexiko lebt, stand 1933 kurz nach dem Reichstagsbrand als Tramper an der Landstraße und floh aus Berlin. Er hatte nur wenig mehr als seine Leica und eine Gitarre bei sich, im Hosenbein eingenäht den Presseausweis ‘Arbeiter-Illustrierten-Zeitung’. Die SA trachtete ihm nach dem Leben, aber er konnte entkommen.

Die Flucht ging über Frankreich nach Spanien, seine jüdische Freundin begleitete ihn. Gemeinsam sangen sie auf Jahrmärkten und vor Straßencafés, um etwas Geld zum Leben zu haben.

Als der Spanische Bürgerkrieg begann, meldete Walter Reuter sich freiwillig zur Verteidigung der Freiheit gegen den Faschismus. Zuerst als Soldat, dann als Fotograf im Dienst der republikanischen Regierung, hat er diesen ganzen ‘Krieg der tausend Tage’ mitgemacht. In der Winterschlacht von Teruel wäre er fast im Schützengraben erfroren. Zwei Jahre später, nach einigen Monaten illegalen Aufenthalts in Frankreich, war er zusammen mit anderen Spanienkämpfern in glühender Hitze in der marokkanischen Sahara interniert. 1942 konnte er fliehen und mit einem der letzten Schiffe von Casablanca nach Amerika entkommen. Als er in Mexiko-Stadt ankam, hatte er zum fünften Mal in seinem Leben alles verloren.

Mit einer geliehenen Kamera begann er wieder zu fotografieren - Innerhalb von drei Jahren wurde er zu einem der angesehensten Fotoreporter des Landes. Zehn Jahre arbeitete er als Kameramann beim mexikanischen Film, dann wieder als Fotograf. Sein bevorzugtes Thema sind die mexikanischen Indianer, ihr Leben, ihre Riten und Gebräuche. Noch heute, mit über achtzig Jahren, reist er in schwer zugängliche Gebirgsgegenden, um dort die Indio-Stämme zu besuchen, die noch etwas von ihrer alten Kultur bewahrt haben.”

Pressestimmen

Berliner Morgenpost, 16.10.1990 (Barbara Kunze)
“Die Mitarbeiter der Ausstellung haben in mühevoller Spurensuche zusammengetragen, was Walter Reuter auf seiner langen Flucht zurücklassen mußte: seine Fotos aus dem Berlin der dreißiger Jahre und dem spanischen Bürgerkrieg, interessante zeitgeschichtliche und biographische Dokumente.
Reuters Arbeit in Mexiko ist mit Porträts aus den ersten Jahren, zum Beispiel von Anna Seghers im Exil, Aufnahmen der Indios sowie anderen kompositionell beeindruckenden Fotos dokumentiert. Zwei Videofilme, die den Fotografen im Gespräch zeigen, vervollständigen das Porträt eines sehr interessanten Mannes, der gleichzeitig ein Stück in der Emigration verschollenen Deutschlands repräsentiert.”

Die Tageszeitung, 12.10.1990 (Katrin Bettina Müller)
“Das Pressegespräch zur ersten Ausstellung des 84jährigen Reuter in Deutschland – den Diethart Kerbs, ergriffen von seiner eigenen Rolle als Detektiv auf den Spuren seines wertvollen Zeitzeugen, als letzten noch lebenden Fotografen der AIZ und einen der wenigen deutschen Fotografen auf der Seite der Freiheit im spanischen Bürgerkrieg pries – hätte dem Fotografen fast einen heroischen Heiligenschein aufgesetzt, wäre er nicht selbst dabei gewesen. Reuter selbst erzählte mit Lust an der Pointe, gab sein Leben in Anekdoten, minderte mit seiner Beschreibung glücklicher Zufälle und kleiner Tricks ironisch den Mythos des alten Kämpfers.”

Der Tagesspiegel, 25.10.1990 (R.F.)
“Ein Fotograf mit dieser Biographie kennt keine Traumtänzereien – Reuters Fotografien sind von nüchternem Realitätssinn geprägt. Mit wachem Verstand erfaßt er das Wesentliche der Situationen, die dann – mit klaren Konturen – ins Bild gebracht werden. Das Gespür für eine gute Bildwirkung und ausgewogene Kompositionen wurde an der Kunst der Moderne geschult – Fotografenarbeit auf höchstem Niveau.”

Frankfurter Rundschau, 06.04.1991 (WR)
“Im Herbst 1990 wurde in Berlin ein bei uns bis dahin völlig unbekannter
Fotograf ausgestellt, Walter Reuter. Sein Werk ist eine Entdeckung. (…) Reuter, der als Fotograf Autodidakt war, besticht in seinen Bildern durch Klarheit, Natürlichkeit, Aufmerksamkeit für den einzelnen Menschen.”