Denkmal

Ein Denkmal verweist auf die Vergangenheit und wird dennoch im Jetzt als Erinnerung konstruiert, ganz gleich ob es sich um neue Architektur oder einen historischen Ort handelt. In der nGbK diskutierten die Mitglieder im Kontext politischer Umbrüche und Wandlungen in Berlin die Frage, in welcher Form Denkmäler angemessen erinnern und aufklären könnten, zum Beispiel in Bezug auf den Nationalsozialismus oder die DDR.

In den 1980er Jahren entstand unter der Federführung von Sabine Weißler die Ausstellung Der umschwiegene Ort, in der es um den Umgang mit dem ehemaligen Gestapo-Gelände um den Martin-Gropius-Bau ging, der als Hauptquartier der Geheimen Staatspolizei diente. Nach der Wende bestimmte besonders das Nebeneinander der sichtbaren Hinterlassenschaften verschiedener politischer Systeme das Stadtbild. Man könnte sogar sagen, dass die kulturelle Dynamik aus der plötzlichen Erreichbarkeit der vielstimmigen Kunst- und Kulturhäuser, Universitäten und Bibliotheken geprägt war. Das Projekt Erhalten − zerstören − verändern? dokumentierte mit einer Ausstellung im Jahr 1990 die Denkmäler der DDR in Ost-Berlin und verdeutlichte dabei die unterschiedliche Denkmalpraxis in Ost und West.

Besonders markant für die Arbeit in der nGbK sind jene Publikationen, die als Reaktion auf die Wettbewerbe für das Denkmal für die ermordeten Juden Europas und das Denkmal zum 17. Juni 1953 entstanden sind. Beide Bücher dokumentieren streitbare Argumente und nicht realisierte Entwürfe und weisen die Mitglieder der nGbK einmal mehr als stadtpolitische Akteur_innen aus.

Augenfällig scheint dabei, dass besonders Entwürfe, die alternative Konzepte des Nachdenkens und Erinnerns vorschlugen, in der nGbK Unterstützung fanden. Der Entwurf der Künstler_innen Renata Stih und Frieder Schnock für das Denkmal für die ermordeten Juden Europas entsprach bewusst nicht der Bedingung der Ausschreibung, einen monumentalen Bau zu errichten. Anstelle eines Neubaus planten die Künstler_innen Buslinien, die Besucher_innen vom Wettbewerbsgelände am Brandenburger Tor an die Orte bringen sollten, an denen verschiedene Opfergruppen inhaftiert und ermordet worden waren − Orte, die tatsächlich noch in und um Berlin existieren. So heißt es in dem Fahrplan, der 1996 in der nGbK erschien: „Die nach Vorgabe der Künstler rot gestalteten Busse werden fahrenden mobilen Denkmälern gleich auf den Straßen im Alltag präsent.“1 Das Projekt nannte sich Bus Stop und wurde temporär mit der Unterstützung der nGbK realisiert.

Wie Leonie Baumann berichtete, wurde besonders die Maßgabe der Ausschreibung des Wettbewerbs, das Erleben der Geschichte solle mit der Alltagsnutzung des Ortes verbunden werden, kritisiert.2 So sorgte man sich, dass die Touristenströme, Souvenirläden und Essenstände um das im Jahr 2005 fertiggestellte Denkmal für die ermordeten Juden Europas die Betroffenheitserzählung stören könnten. Dezentrale Konzepte wie das Projekt Bus Stop entgehen solchen ungewollten Brüchen im städtischen Zusammenhang; sie verbinden sich vielmehr mit ihrer Struktur und veranschaulichen die Logistik, Organisation und Härte des faschistischen Terrors, indem sie zeigen, wie verästelt und kleinteilig die Verschleppung und Ermordung geplant war. „Die in diesem Fahrplan enthaltene Informationen vermitteln darüber hinaus einen Eindruck von der allgegenwärtigen Verflechtung der Vernichtungsmaschinerie mit dem Alltag Deutschlands […].“3

Auch das Projekt Stolpersteine, das von Gunter Demnig im Jahr 2002 in der nGbK initiiert wurde, ist ein dezentrales Holocaust-Denkmal. Die vor den Haustüren in das Straßenpflaster eingelassenen Steine erinnern an die verschleppten Menschen, die einst dort lebten. Klein in ihrer Erscheinung und groß an der Anzahl, sind sie leicht zu übersehen. Manch einem ist sicher erst nach mehrfachem Darüberlaufen der goldene, geprägte Pflasterstein aufgefallen, auf dem Namen und Geburtsdaten, teilweise auch Leidensgeschichten vermerkt sind. Im Unterschied zur monumental angelegten Architektur, deren Effekt stets erhaben über der Stadt eine Gravitation entwickelt und eine repräsentative Ästhetik als symbolischer Schlussstein vermittelt, spielen Denkmäler, die auch übersehen werden können, mit unserer Aufmerksamkeitsökonomie und verweisen auf die Frage, welchen Prozessen Geschichte und Erinnerung bei der Bildung von Kontinuität unterliegen.

Sara Hillnhütter, 2015, überarbeitet 2019


  1. Bus Stop, Fahrplan, NGBK, Berlin 1995, S. 5. 

  2. Vgl. Leonie Baumann, Erinnern für die Zukunft, in: Der Wettbewerb für das „Denkmal der ermordeten Juden Europas“, Berlin 1995, S. 177. 

  3. Bus Stop, Fahrplan, NGBK, S. 5.