„Die Hauptversammlung im TU-Hörsaal johlt, als ein Mitglied der Gruppe Unbeachtete Produktionsformen Beispiele aufzählt, die die Ausstellung als oft weiblich konnotiertes Unbeachtetes der Alltagskultur in künstlerischen Inszenierungen, durch Performances und andere Ereignisse thematisieren, aufarbeiten, sinnfällig machen will.“1 Mit diesem Augenzeugenbericht von einer nGbK Hauptversammlung im Jahr 1980 beginnt Ingrid Wagner ihren Beitrag Frauen und Kunst in der NGBK – eine Re-Kapitulation für die Publikation zum 40-jährigen Bestehen der nGbK. Jula Dech bemerkt über die Anfangsjahre der nGbK, dass sich dort „die sonstigen Verhältnisse der sogenannten ‚neuen Linken’ [spiegelten]: eine Sensibilisierung für geschlechtsspezifische Fragen existierte fast nicht. Fast selbstverständlich wiederholte man die Diskriminierungen gegen historische und aktuelle Frauenkunst.“2 Und weiter: „Kunst von Frauen – das war ein weitgehend unentdecktes, noch unsichtbares Land – ohne eigenen Formkanon, eigenes Farbvokabular. Kunst, so die vorherrschende Meinung, hatte kein Geschlecht.“3
Die erste Einzelausstellung einer Frau – Käthe Kollwitz (1974) – hatte deshalb auch keinen feministischen Hintergrund, sondern stellte den politischen Anspruch der Künstlerin heraus.4
Intention der beiden ersten Ausstellungen, die sich explizit der „Frauenkunst” widmeten, war es deshalb auch, Kunst von Frauen überhaupt erst einmal sichtbar zu machen. Im Jahr 1977 fand die Ausstellung Künstlerinnen International 1877–1977 statt – die „erste große Bestandsaufnahme an Frauenkunst der letzten hundert Jahre“5. Zehn Jahre später folgte das Ausstellungsprojekt Das verborgene Museum. Der Titel verweist „auf die unsichtbare künstlerische Tradition der Frauen, ihren Ausschluß aus dem ‚imaginären Museum‘ der Kunst, in dem sie nicht als Handelnde (als Künstlerinnen), sondern vorwiegend als männliche Projektionen und Imaginationen erscheinen.“6 Über zwei Jahre lang wurde in den öffentlichen Sammlungen Berlins Grundlagenforschung betrieben, um eine weibliche Kunsttradition sichtbar zu machen und das Bewusstsein für die dahinter stehende Problematik zu schärfen. Neben der Kritik an der „patriarchalischen Ideologie und Geschichtsschreibung” sollte das Konzept „auch eine kunst- und kulturpolitische Absicht zum Ausdruck bringen. Nicht irgendwann ‚später‘, nicht ‚morgen‘ wollen wir uns als Betrachterinnen von Kunst mit den Werken von Frauen auseinandersetzen. Zeitgenössische Künstlerinnen müssen heute in öffentlichen Sammlungen und großen Ausstellungen besser und häufiger präsentiert, das heißt angekauft und auch ausgestellt werden.“7
Gleichzeitig begann in den Achtziger Jahren ein Umdenken. In der nGbK gab es neben zahlreichen Einzelausstellungen von Künstlerinnen, die diesen Aufmerksamkeit verschafften, auch solche, die explizit feministische Fragestellungen aufgriffen, wie Kulturplätze / Frauen – Autonomie – Kreativität – Subkultur (1985), in der Berliner Fraueninitiativen vorgestellt wurden.
Mit der Einrichtung eines Programms zur Förderung der als unterrepräsentiert erkannten Berliner Künstlerinnen durch den Berliner Senat im Jahr 1992 bekam die „Frauenkunst“ weiteren Aufschwung. Typisch für die nGbK war der (solidarische) Blick in Richtung Lateinamerika: In den Jahren 1981 und 1991 widmeten sich Ausstellungen der Kunst von mexikanischen Künstlerinnen.
Mit Perlen für die Säue. Erotische Kunst von Frauen für Frauen (1991) sowie in Dorothy Iannones Ausstellung (1997) rückte das weibliche Begehren und dessen Unterdrückung in den Mittelpunkt. Hatten Iannones Arbeiten bereits bei früheren Ausstellungen Zensur provoziert, griff bei Perlen für die Säue nun auch die Vereinigte Verkehrsreklame der Berliner Verkehrsbetriebe ein und unterband das Aufhängen von Plakaten, auf denen vom sexuellen Missbrauch des Vaters an der Tochter und vom Widerstand gegen diesen erzählt wurde.
Obwohl die Themen Gender und Queerness in den letzten Jahren in den Vordergrund rücken, zeigt das Projekt No play – Feministisches Trainingcamp, das dabei feministische Fragestellungen nicht an Relevanz und Aktualität verloren haben und sich im besten Fall intersektional verschränken: „Das Trainingscamp baut auf ein queeres Verständnis von Feminismus mit einem besonderem Schwerpunkt auf kollektiver Basisorganisation.[…] Hierzu ist es notwendig, die Wechselwirkungen von Kategorien wie Geschlecht, race, Klasse, Behinderung und Sexualität in gewaltvollen Machtstrukturen intersektional zu verstehen.“8
Und wo stehen wir heute? Obwohl Jula Dech noch im Jahr 1990 pessimistisch äußerte, dass die Gleichberechtigung der Geschlechter vorläufig eine radikale Utopie bleibe – „Frauen als Künstlerinnen gehören zu den ungelösten Problemen der bürgerlichen Gesellschaft“9 –, kommt Ingrid Wagner im Jahr 2009 zu dem Schluss, dass die nGbK ein „prädestinierter Schauplatz zum Austragen der feministischen Positionen sowie der heute so genannten gender-Debatte auf dem Feld der Kunst [sei].“10 Marion Beckers, die heute Das Verborgene Museum leitet, das aus dem gleichnamigen nGbK-Projekt hervorgegangen ist, formuliert es noch mal differenzierter: Zwar habe man in den 1980er Jahren als Frau in der nGbK kämpfen müssen, aber man habe auch zusammen gearbeitet und hatte mit den Geschäftsführerinnen stets starke Frauen an der Spitze, was zu der damaligen Zeit ein Novum in Berlin gewesen wäre. 11
Anna-Lena Wenzel, 2015, überarbeitet 2019
-
Wagner, Ingrid: Frauen und Kunst in der NGBK – eine Re-Kapitulation, in: 40 Jahre NGBK, Berlin 2009, S. 161. ↩
-
Dech, Jula: Blinder Fleck – Die Neue Gesell(en)schaft und die Frauenkunst, in: 21 – was nun?, NGBK, Berlin 1990, S. 57. ↩
-
Ebd., S. 57f. ↩
-
Die Ausstellung entstand aus der Kritik an den letzten großen Kollwitz-Ausstellungen, „die das ins Gesellschaftlich zielende Wirkungsmoment negieren und es als Darstellung des ‚sozialen Idealismus‘ einer hermetischen und ‚autonomen‘ Persönlichkeit interpretieren. Demgegenüber sucht unsere Ausstellung die Werke von Käthe Kollwitz – im Sinne des kategorisch-theoretischen Kontextes, in den sie sich selbst bewußt gestellt hat – in ihren jeweiligen mittelbaren und unmittelbaren Wirkungszusammenhang zu setzen.“ „Zu dieser Ausstellung“, in: Käthe Kollwitz, hg. v. Frankfurter Kunstverein 1973, o.S. ↩
-
Vgl. Dech (1990), S. 58. ↩
-
Breitling, Gisela / Flagmeier, Renate: Vorwort, in: Das verborgene Museum I, NGBK, Berlin 1987, S. 7. ↩
-
Ebd., S. 8. ↩
-
Vgl. Ausstellungstext, No play - Feministisches Trainingcamp, Zugang vom 18.12.2019 ↩
-
Dech (1990), S. 62. ↩
-
Wagner (2009), S. 167. ↩
-
„Von einem Ausstellungsprojekt zu einem ständigen Museum“ – Gespräch mit Marion Beckers von Anna-Lena Wenzel, 2015 ↩